Kapitel 1
Welleneigenschaften von Licht

Um einen ersten Einblick in die Natur der Quantenmechanik zu erlangen betrachten wir zunächst die Wellen- und Teilcheneigenschaften von elektromagnetischer Strahlung und wie diese in unterschiedlichen Experimenten zu Tage treten.

In der klassischen Elektrodynamik wird elektromagnetische Strahlung erfolgreich als Wellenphänomen beschrieben. Die Maxwell-Gleichungen erlauben es eine grosse Anzahl von Beobachtungen akkurat zu erklären. Ein klassisches Beispiel ist die Beugung von Licht an einem Einzelspalt oder die Interferenz von Licht an einem Doppelspalt. Diese Phänomene lassen sich durch die Welleneigenschaften von elektromagnetischer Strahlung vollständig beschreiben. In diesem Kapitel werden wir anhand einiger Beispiele noch einmal diskutieren unter welchen experimentellen Bedingungen Welleneigenschaften von Licht zu Tage treten. Diese Betrachtungen sind mitunter auch deswegen nützlich, da wir in späteren Kapiteln die Welleneigenschaften von Materie, die in ähnlichen Experimenten zum Vorschein kommen, betrachten werden.

Unter bestimmten experimentellen Bedingungen zeigt elektromagnetische Strahlung jedoch Eigenschaften, die sich nicht mehr mit klassischem Elektromagnetismus im Wellenbild erklären lassen. Zum Beispiel zeigt sich, dass die Energie, die von einer elektromagnetischen Welle transportiert wird, in Einheiten von einzelnen Photonen quantisiert ist. Des Weiteren kann man beobachten, dass diese Teilchen des Lichts, obwohl sie masselos sind, ebenfalls einen Impuls tragen.

Welche dieser Eigenschaften des Lichts nun beobachtet werden hängt sehr spezifisch von den Bedingungen ab unter welchen Experimente mit Licht durchgeführt werden.

Zur Einführung betrachten wir anhand eines generischen experimentellen Aufbaus zur Untersuchung der Eigenschaften von Licht (siehe Abb. 1.1) verschiedene Bedingungen, unter denen Wellen- oder Teilcheneigenschaften von Licht zu beobachten sind.


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Abb. 1.1: Typischer Aufbau zur Untersuchung der Eigenschaften von Licht: Eine punktförmige, sich im Brennpunkt einer Sammellinse befindende Lichtquelle sendet Licht aus. Nach der Linse trifft dieses auf ein Objekt der Masse m und der Grösse d und wird schlussendlich auf einem Schirm oder einem Detektor registriert.


Der Aufbau besteht zunächst aus einer häufig als punktförmig approximierten Lichtquelle, die Licht der Wellenlänge λ  (Frequenz ν  ) mit einer Intensität I  (Leistung pro Fläche) isotrop in alle Richtungen des Raumes aussendet. Befindet sich die Lichtquelle im Brennpunkt einer Sammellinse der Brennweite f  , so lässt sich das Licht hinter der Linse in guter Näherung als ebene elektromagnetische Welle beschreiben. Häufig wird dann die Wechselwirkung des so erzeugten Lichts mit einem Objekt von Interesse untersucht. Dieses Objekt könnte zum Beispiel ein Doppelspalt sein oder auch ein einfaches kugelförmiges Objekt mit Durchmesser d  und Masse m  . Nach der Wechselwirkung mit dem Objekt wird meist das Licht mit einem Schirm, oder einem anders gearteten Detektor, aufgefangen und die Intensität I  der detektierten Strahlung als Funktion des Ortes dargestellt.

Bei der Durchführung und Interpretation von Experimenten dieser Art sind die experimentellen Bedingungen, die mitunter starken Einfluss auf die beobachtbaren physikalischen Phänomene haben, ausschlaggebend.

Zunächst werden wir anhand der Beugung am Einzelspalt (Abschnitt 1.1) und Doppelspalt (Abschnitt 1.2) das Verständnis der Welleneigenschaften des Lichts vertiefen.

1.1 Beugung am Einzelspalt

Wir untersuchen als erstes die Beugung einer elektromagnetischen Welle am Einzelspalt. Dabei betrachten wir den Fall, dass die Wellenlänge λ  des Lichts ähnlich der Breite d  des Einzelspalts ist. Das Ganze betrachten wir in der Fraunhofer-Näherung [1], d.h. wir nehmen an, dass die Abstände zwischen Lichtquelle und Beugungsobjekt, sowie zwischen Beugungsobjekt und Beobachtungsebene (Schirm) viel grösser sind als die Spaltbreite d  , so dass einfallende und gebeugte Wellenfront als eben angesehen werden können. Wir können also in unseren Berechnungen von ebenen Wellen ausgehen. In der Praxis lässt sich dies am einfachsten dadurch erreichen, dass man eine Punktquelle in den Brennpunkt einer Sammellinse bringt und das Beugungsbild in der Brennebene einer zweiten Sammellinse registriert. Von einer solchen Anordnung (siehe Abb. 1.2) gehen wir in den folgenden Berechnungen aus.


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Abb. 1.2: Fraunhofer-Beugung am Einzelspalt: Eine ebene Welle EI   trifft auf einen Spalt der Breite d  und wird auf einem Schirm registriert. Dabei befindet sich der jeweilige Beobachtungspunkt P im Brennpunkt einer Sammellinse.


Auf den Einzelspalt der Breite d  trifft eine ebene elektromagnetische Welle mit einer elektrischen Feldstärke EI   der Form

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wobei der Nullpunkt z = 0  in der Ebene des Einzelspalts gewählt wird und EI0   die Amplitude, ω = 2π ν  die Kreisfrequenz und k = 2π ∕λ  die Wellenzahl des Lichts bezeichnen.

Wir berechnen nun die Amplitude EP   der elektrischen Feldstärke und die Intensität IP   des elektromagnetischen Feldes im Beobachtungspunkt P. Der Beobachtungspunkt P befindet sich dabei wie erwähnt in der Brennebene einer Sammellinse. Somit werden im Beobachtungspunkt P alle Parallelstrahlen, die von allen Punkten der Wellenfront des Einzelspalts ausgehen, fokussiert. Nach dem Huygens-Prinzip3 sind diese Strahlen Teile von Elementarwellen, die von jedem Punkt des Einzelspalts ausgehen und in P entsprechend dem Superpositionsprinzip interferieren. Die Quellen dieser Elementarwellen (Huygens-Wellen) sind entlang des Einzelspalts kontinuierlich verteilt.

1.1.1 Berechnung der elektrischen Feldstärke

Der Beitrag dEP   einer Elementarwelle, die vom Punkt O ′ ausgeht, zur elektrischen Feldstärke im Punkt P beträgt

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wobei EI0   die Amplitude der elektrischen Feldstärke der einfallenden ebenen Welle ist und r = |⃗r| der optische Weg zwischen O′ und P. Verglichen mit dem Weg R  zwischen O (Spaltmitte) und P, ist r  in der besagten Näherung um den Gangunterschied Δ  grösser. Ausgedrückt in Abhängigkeit des Beugungswinkels α  und der Koordinate x  am Spalt ergibt sich für den Gangunterschied

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Somit ergibt sich

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Die gesamte elektrische Feldstärke EP   im Punkt P ergibt sich dann durch Integration über alle Teilwellen des Einzelspalts

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wobei

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gerade der Phasendifferenz zwischen dem Strahl aus der Mitte und einem Strahl vom Rand des Einzelspalts entspricht oder in anderen Worten 2β  ist die Phasendifferenz zwischen den Randstrahlen.

Die physikalische elektrische Feldstärke entspricht dem Realteil dieser Funktion. Daher erhalten wir für die elektrische Feldstärke EP   im Beobachtungspunkt P

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1.1.2 Berechnung der Intensität

Die Intensität IP   ergibt sich durch zeitliche Mittelung des Quadrats der elektrischen Feldstärke EP   über die Periode T  der Oszillation der Feldstärke

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1.1.3 Eigenschaften der Intensitätsverteilung

Die Intensität I
P   und die elektrische Feldstärke E
  P   zeigen in Abhängigkeit von      πd
β =  λ  sin α  folgende Charakteristiken (siehe Abb. 1.3):


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Abb. 1.3: Die normierte elektrische Feldstärke EP∕E0   (durchgezogene Linie) und die normierte Intensität IP∕I0   (gestrichelte Linie) für die Beugung am Einzelspalt gezeichnet als Funktion von β =  πλd sin α  . Auf die Eigenschaften der beiden Verteilungen wird im Text eingegangen.


Bemerkung:

Das Beugungsmuster (elektrische Feldstärke und Intensität) lässt sich auch durch die Fourier-Transformation der Spaltfunktion bestimmen. Für genauere Ausführungen wird auf weiterführende Literatur verwiesen [1].

1.2 Beugung am Doppelspalt

Auch bei der Beugung am Doppelspalt (siehe Abb. 1.4) soll gelten, dass die Wellenlänge λ  des Lichts ähnlich der Breite d  der Einzelspalte ist. Weiter betrachten wir das Ganze wiederum in der Fraunhofer-Näherung, d.h. wir nehmen an, dass die Abstände zwischen Lichtquelle und Beugungsobjekt, sowie zwischen Beugungsobjekt und Beobachtungsebene (Schirm) viel grösser sind als die Einzelspaltbreite d  und der Abstand zwischen den Einzelspalten a  . Daher können wir wiederum von ebenen Wellen ausgehen.


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Abb. 1.4: Fraunhofer-Beugung am Doppelspalt: Die Breite eines Einzelspalts wird mit d  und der Abstand zwischen den Einzelspalten mit a  bezeichnet.


Ausgehend von den Resultaten zur Beugung am Einzelspalt, bestimmen wir nun wiederum die elektrische Feldstärke E  und die Intensität I  auf dem Schirm.

1.2.1 Berechnung der elektrischen Feldstärke

Die elektrische Feldstärke für den Doppelspalt erhalten wir durch Addition der elektrischen Feldstärken der Einzelspalte unter Berücksichtigung der entsprechenden Phasenverschiebungen. Abb. 1.4 entnehmen wir, dass alle Wellen, die von dem bei x = a∕2  gelegenen oberen Einzelspalt ausgehen, einen um Δ  = a∕2 sin α  geringeren optischen Weg gegenüber eines fiktiven Einzelspalts bei x = 0  zurücklegen. Damit erhält die gesamte vom oberen Einzelspalt ausgehende elektrische Feldstärke E1   eine zusätzliche Phase von

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Daher erhalten wir

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wobei EP   die elektrische Feldstärke des Einzelspalts ist. Analog erhalten wir für die elektrische Feldstärke E2   des unteren Einzelspalts

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Daraus ergibt sich unter Verwendung von Gl. (1.7) für die elektrische Feldstärke E  des Doppelspalts

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1.2.2 Berechnung der Intensität

Die Intensität I  für den Doppelspalt ergibt sich (analog zur Berechnung für den Einzelspalt) durch zeitliche Mittelung des Quadrats der elektrischen Feldstärke E  über die Periode T  der Oszillation der Feldstärke

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wobei I0   der beim Beugungswinkel α = 0  gemessene Wert für den Einzelspalt ist.

1.2.3 Eigenschaften der Intensitätsverteilung

Die Intensität I  und die elektrische Feldstärke E  zeigen in Abhängigkeit von      πd
β =  λ  sin α  folgende Charakteristiken (siehe Abb. 1.5):


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Abb. 1.5: (a) Die normierte elektrische Feldstärke E∕2E0   als Funktion von β  gezeichnet für a = 5d  , d.h. φ = 5β  . (b) Die normierte Intensität I∕4I0   als Funktion von β  gezeichnet für a = 5d  , d.h. φ = 5β  . Auf die Eigenschaften der beiden Verteilungen wird im Text eingegangen.


1.3 Zusammenfassung

Hier nochmals die wichtigsten Resultate für die Beugung am Einzel- und Doppelspalt in der Übersicht:

Einzelspalt (siehe Abb. 1.2)

  1. Elektrische Feldstärke

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  2. Intensität

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  3. Beugungswinkel α
 h,max   Hauptmaximum

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  4. Beugungswinkel αmin   Minima

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  5. Beugungswinkel αn,max   Nebenmaxima

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Doppelspalt (siehe Abb. 1.4)

  1. Elektrische Feldstärke

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  2. Intensität

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  3. Spalt- und Strukturfaktor

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    F  = sin β∕β  : Spaltfaktor, G  = 2cosφ  : Strukturfaktor.

  4. Beugungswinkel αd,max   Maxima

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    Unterdrückt durch Einzelspaltminima falls

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  5. Beugungswinkel αd,min   Minima

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