Um einen ersten Einblick in die Natur der Quantenmechanik zu erlangen betrachten wir zunächst die Wellen- und Teilcheneigenschaften von elektromagnetischer Strahlung und wie diese in unterschiedlichen Experimenten zu Tage treten.
In der klassischen Elektrodynamik wird elektromagnetische Strahlung erfolgreich als Wellenphänomen beschrieben. Die Maxwell-Gleichungen erlauben es eine grosse Anzahl von Beobachtungen akkurat zu erklären. Ein klassisches Beispiel ist die Beugung von Licht an einem Einzelspalt oder die Interferenz von Licht an einem Doppelspalt. Diese Phänomene lassen sich durch die Welleneigenschaften von elektromagnetischer Strahlung vollständig beschreiben. In diesem Kapitel werden wir anhand einiger Beispiele noch einmal diskutieren unter welchen experimentellen Bedingungen Welleneigenschaften von Licht zu Tage treten. Diese Betrachtungen sind mitunter auch deswegen nützlich, da wir in späteren Kapiteln die Welleneigenschaften von Materie, die in ähnlichen Experimenten zum Vorschein kommen, betrachten werden.
Unter bestimmten experimentellen Bedingungen zeigt elektromagnetische Strahlung jedoch Eigenschaften, die sich nicht mehr mit klassischem Elektromagnetismus im Wellenbild erklären lassen. Zum Beispiel zeigt sich, dass die Energie, die von einer elektromagnetischen Welle transportiert wird, in Einheiten von einzelnen Photonen quantisiert ist. Des Weiteren kann man beobachten, dass diese Teilchen des Lichts, obwohl sie masselos sind, ebenfalls einen Impuls tragen.
Welche dieser Eigenschaften des Lichts nun beobachtet werden hängt sehr spezifisch von den Bedingungen ab unter welchen Experimente mit Licht durchgeführt werden.
Zur Einführung betrachten wir anhand eines generischen experimentellen Aufbaus zur Untersuchung der Eigenschaften von Licht (siehe Abb. 1.1) verschiedene Bedingungen, unter denen Wellen- oder Teilcheneigenschaften von Licht zu beobachten sind.
Der Aufbau besteht zunächst aus einer häufig als punktförmig approximierten
Lichtquelle, die Licht der Wellenlänge (Frequenz
) mit einer Intensität
(Leistung pro Fläche) isotrop in alle Richtungen des Raumes aussendet. Befindet sich
die Lichtquelle im Brennpunkt einer Sammellinse der Brennweite
, so lässt sich das
Licht hinter der Linse in guter Näherung als ebene elektromagnetische Welle
beschreiben. Häufig wird dann die Wechselwirkung des so erzeugten Lichts mit einem
Objekt von Interesse untersucht. Dieses Objekt könnte zum Beispiel ein
Doppelspalt sein oder auch ein einfaches kugelförmiges Objekt mit Durchmesser
und Masse
. Nach der Wechselwirkung mit dem Objekt wird meist das
Licht mit einem Schirm, oder einem anders gearteten Detektor, aufgefangen
und die Intensität
der detektierten Strahlung als Funktion des Ortes
dargestellt.
Bei der Durchführung und Interpretation von Experimenten dieser Art sind die experimentellen Bedingungen, die mitunter starken Einfluss auf die beobachtbaren physikalischen Phänomene haben, ausschlaggebend.
Zunächst werden wir anhand der Beugung am Einzelspalt (Abschnitt 1.1) und Doppelspalt (Abschnitt 1.2) das Verständnis der Welleneigenschaften des Lichts vertiefen.
Wir untersuchen als erstes die Beugung einer elektromagnetischen Welle am
Einzelspalt. Dabei betrachten wir den Fall, dass die Wellenlänge des
Lichts ähnlich der Breite
des Einzelspalts ist. Das Ganze betrachten wir
in der Fraunhofer-Näherung [1], d.h. wir nehmen an, dass die Abstände
zwischen Lichtquelle und Beugungsobjekt, sowie zwischen Beugungsobjekt und
Beobachtungsebene (Schirm) viel grösser sind als die Spaltbreite
, so dass
einfallende und gebeugte Wellenfront als eben angesehen werden können.
Wir können also in unseren Berechnungen von ebenen Wellen ausgehen. In
der Praxis lässt sich dies am einfachsten dadurch erreichen, dass man eine
Punktquelle in den Brennpunkt einer Sammellinse bringt und das Beugungsbild in
der Brennebene einer zweiten Sammellinse registriert. Von einer solchen
Anordnung (siehe Abb. 1.2) gehen wir in den folgenden Berechnungen aus.
Auf den Einzelspalt der Breite trifft eine ebene elektromagnetische Welle mit einer
elektrischen Feldstärke
der Form
wobei der Nullpunkt in der Ebene des Einzelspalts gewählt wird und
die
Amplitude,
die Kreisfrequenz und
die Wellenzahl des Lichts
bezeichnen.
Wir berechnen nun die Amplitude der elektrischen Feldstärke und die
Intensität
des elektromagnetischen Feldes im Beobachtungspunkt P. Der
Beobachtungspunkt P befindet sich dabei wie erwähnt in der Brennebene einer
Sammellinse. Somit werden im Beobachtungspunkt P alle Parallelstrahlen, die von
allen Punkten der Wellenfront des Einzelspalts ausgehen, fokussiert. Nach dem
Huygens-Prinzip3
sind diese Strahlen Teile von Elementarwellen, die von jedem Punkt des Einzelspalts
ausgehen und in P entsprechend dem Superpositionsprinzip interferieren. Die Quellen
dieser Elementarwellen (Huygens-Wellen) sind entlang des Einzelspalts kontinuierlich
verteilt.
Der Beitrag einer Elementarwelle, die vom Punkt
ausgeht, zur elektrischen
Feldstärke im Punkt P beträgt
wobei die Amplitude der elektrischen Feldstärke der einfallenden ebenen
Welle ist und
der optische Weg zwischen O
und P. Verglichen
mit dem Weg
zwischen O (Spaltmitte) und P, ist
in der besagten
Näherung um den Gangunterschied
grösser. Ausgedrückt in Abhängigkeit des
Beugungswinkels
und der Koordinate
am Spalt ergibt sich für den
Gangunterschied
Somit ergibt sich
Die gesamte elektrische Feldstärke im Punkt P ergibt sich dann durch
Integration über alle Teilwellen des Einzelspalts
wobei
gerade der Phasendifferenz zwischen dem Strahl aus der Mitte und einem Strahl vom
Rand des Einzelspalts entspricht oder in anderen Worten ist die Phasendifferenz
zwischen den Randstrahlen.
Die physikalische elektrische Feldstärke entspricht dem Realteil dieser Funktion.
Daher erhalten wir für die elektrische Feldstärke im Beobachtungspunkt
P
Die Intensität ergibt sich durch zeitliche Mittelung des Quadrats der elektrischen
Feldstärke
über die Periode
der Oszillation der Feldstärke
Die Intensität und die elektrische Feldstärke
zeigen in Abhängigkeit von
folgende Charakteristiken (siehe Abb. 1.3):
Das Hauptmaximum tritt bei auf. Dabei nimmt die elektrische
Feldstärke
und die Intensität
jeweils den Wert ihrer Amplituden
bzw.
an.
Die Minima treten bei den Nullstellen von auf, d.h. wenn
ein
ganzzahliges Vielfaches von
ist. Wir erhalten somit die folgende Bedingung
für die Beugungsminima unter dem Winkel
Dies entspricht genau der Bedingung, dass der Gangunterschied zwischen den
Rändern des gebeugten Strahls einem ganzzahligen Vielfachen
der Wellenlänge
entspricht.
Die Nebenmaxima folgen aus der Bedingung
Daraus ergibt sich folgende transzendente Gleichung, die z.B. graphisch gelöst werden kann
Das Hauptmaximum befindet sich genau in der Mitte von zwei Minima gleicher
Ordnung. Hingegen beobachtet man, dass die Nebenmaxima nicht genau in der
Mitte zwischen den benachbarten Minima zu liegen kommen. Die numerische
Lösung der transzendenten Gleichung (1.11) ergibt jedoch, dass mit
zunehmendem die Nebenmaxima immer näher in die Mitte rücken: Für das
erste Nebenmaximum erhält man
statt
für die Mitte,
beim zweiten
statt
, beim dritten
statt
,
usw..
Das Beugungsmuster (elektrische Feldstärke und Intensität) lässt sich auch durch die Fourier-Transformation der Spaltfunktion bestimmen. Für genauere Ausführungen wird auf weiterführende Literatur verwiesen [1].
Auch bei der Beugung am Doppelspalt (siehe Abb. 1.4) soll gelten, dass die
Wellenlänge des Lichts ähnlich der Breite
der Einzelspalte ist. Weiter
betrachten wir das Ganze wiederum in der Fraunhofer-Näherung, d.h. wir nehmen
an, dass die Abstände zwischen Lichtquelle und Beugungsobjekt, sowie zwischen
Beugungsobjekt und Beobachtungsebene (Schirm) viel grösser sind als die
Einzelspaltbreite
und der Abstand zwischen den Einzelspalten
. Daher können
wir wiederum von ebenen Wellen ausgehen.
Ausgehend von den Resultaten zur Beugung am Einzelspalt, bestimmen wir
nun wiederum die elektrische Feldstärke und die Intensität
auf dem
Schirm.
Die elektrische Feldstärke für den Doppelspalt erhalten wir durch Addition
der elektrischen Feldstärken der Einzelspalte unter Berücksichtigung der
entsprechenden Phasenverschiebungen. Abb. 1.4 entnehmen wir, dass alle
Wellen, die von dem bei gelegenen oberen Einzelspalt ausgehen,
einen um
geringeren optischen Weg gegenüber eines fiktiven
Einzelspalts bei
zurücklegen. Damit erhält die gesamte vom oberen
Einzelspalt ausgehende elektrische Feldstärke
eine zusätzliche Phase
von
Daher erhalten wir
wobei die elektrische Feldstärke des Einzelspalts ist. Analog erhalten wir für die
elektrische Feldstärke
des unteren Einzelspalts
Daraus ergibt sich unter Verwendung von Gl. (1.7) für die elektrische Feldstärke
des Doppelspalts
Die Intensität für den Doppelspalt ergibt sich (analog zur Berechnung für den
Einzelspalt) durch zeitliche Mittelung des Quadrats der elektrischen Feldstärke
über die Periode
der Oszillation der Feldstärke
wobei der beim Beugungswinkel
gemessene Wert für den Einzelspalt
ist.
Die Intensität und die elektrische Feldstärke
zeigen in Abhängigkeit von
folgende Charakteristiken (siehe Abb. 1.5):
Wir führen als erstes zwei neue Begriffe ein. Dazu schreiben wir die elektrische
Feldstärke und die Intensität
in der Form
wobei als Spaltfaktor und
als Strukturfaktor
bezeichnet werden. Die Quadrate der beiden Grössen heissen Spaltfunktion
bzw. Strukturfunktion. Die Strukturfunktion
hängt nur vom Abstand
und nicht von der Breite
der Einzelspalte ab. Betrachtet man nur die Grösse
ohne die Spaltfunktion
dann entspricht dieser Ausdruck der
Intensitätsverteilung, falls von den beiden Einzelspalten nur jeweils eine
Elementarwelle ausgehen würde. Dies ist der Fall beim sogenannten Youngschen
Doppelspaltversuch. Bei einem Doppelspalt mit endlichen Breiten
treten
auch Interferenzen zwischen den Elementarwellen eines Einzelspalts auf. Diese
werden durch die Spaltfunktion
berücksichtigt.
Doppelspaltmaxima treten unter der Bedingung auf.
D.h. für den Beugungswinkel
bei den Maxima gilt
Für die Winkel der Einzelspaltminima gilt nach Gl. (1.9):
Fallen nun die Winkel für ein Doppelspaltmaxima und ein Einzelspaltminima zusammen, dann wird das entsprechende Maximum unterdrückt. Aus (1.19) und (1.20) ergibt sich als Bedingung für fehlende Beugungsmaxima
Da und
ganzzahlig sind, kommt es somit zur Auslöschung von
Doppelspaltmaxima für rationale Verhältnisse von Einzelspaltbreite
und
Einzelspaltabstand
. In unserem Beispiel in Abb. 1.5 (
) werden
somit die Ordnungen
,
,
, ... unterdrückt.
Falls nun ist gilt nach (1.21)
und es werden somit bis auf
alle Doppelspaltmaxima unterdrückt. Dies ist so zu verstehen, dass für
die beiden Einzelspalte der Breite
zu einem Einzelspalt der Breite
vereinigt werden und nur das Beugungsbild eines Einzelspalts beobachtbar
ist.
Doppelspaltminima treten unter der Bedingung auf.
D.h. für den Beugungswinkel
bei den Minima gilt
Hier nochmals die wichtigsten Resultate für die Beugung am Einzel- und Doppelspalt in der Übersicht:
Einzelspalt (siehe Abb. 1.2)
Doppelspalt (siehe Abb. 1.4)
: Spaltfaktor,
: Strukturfaktor.
Unterdrückt durch Einzelspaltminima falls