In diesem Kapitel befassen wir uns mit den quantenmechanischen Eigenschaften eines der grundlegenden Modelle der Physik, dem harmonischen Oszillator. Ein harmonischer Oszillator ist ein physikalisches System in dem eine charakteristische Grösse, wie z.B. die Koordinate eines Teilchens, eine sinusförmige Zeitabhängigkeit zeigt, d.h. eine harmonische Schwingung ausführt. Diese Oszillationen werden durch eine in dieser charakteristischen Grösse linearen Rückstellkraft im Zusammenspiel mit der Trägheit des Systems verursacht. In der Natur gibt es sehr viele physikalische Systeme, die in guter Näherung als ein solches lineares Schwingungssystem betrachtet werden können: Mechanische Oszillatoren, z.B. das Federpendel, elektrische Oszillatoren, z.B. der LC-Schwingkreis, die Schwingungen zweiatomiger Moleküle oder Gitterschwingungen in einem Festkörper, um nur einige zu nennen.
Hier beginnen wir mit der klassischen Bewegungsgleichung eines harmonischen Oszillators, die wir für das Beispiel des Federpendels formulieren. Es folgt dann die quantenmechanische Behandlung des harmonischen Oszillators, bei der wir die zugehörige Schrödinger-Gleichung lösen. Zum Abschluss des Kapitels vergleichen wir den klassischen mit dem quantenmechanischen Oszillator.
Wir betrachten ein Federpendel (siehe Abb. 10.1), d.h. ein Teilchen der Masse ,
welches an einer Feder mit Federkonstante
befestigt ist und Oszillationen um die
Ruhelage
ausführt.
Diese Schwingung um die Ruhelage kommt aufgrund der durch die Feder bewirkten
linearen Kraft zustande. Diese Kraft wird Rückstellkraft genannt, da sie in
jedem Punkt auf der x-Achse in Richtung Ruhelage zeigt und somit bei einer
Auslenkung das Teilchen wieder in Richtung der Ruhelage zwingt. Für ein
Federpendel ist diese Rückstellkraft durch das sogenannte Hookesche Gesetz
gegeben
Sie ist wie bereits erwähnt linear in der Auslenkung aus der Ruhelage. Die
klassische Bewegungsgleichung lautet demzufolge
Die Lösung dieser Differentialgleichung ist eine harmonische Schwingung bei der
Kreisfrequenz
mit Amplitude und der Phase
, die von den Anfangsbedingungen abhängen.
Die Lösung verdeutlicht noch einmal, dass bei einem harmonischen Oszillator die
Frequenz
unabhängig von der Amplitude
ist.
Diese grundlegenden Eigenschaften, die wir am Beispiel des Federpendels kennengelernt haben, liegen allen Systemen, welche durch ein Oszillatormodell beschrieben werden können, zugrunde. Jedes solche System führt eine Oszillation um eine Ruhelage, bewirkt durch eine lineare Rückstellkraft, aus, wobei die Oszillationsfrequenz für genügend kleine Auslenkungen unabhängig von der Amplitude ist.
Wie zu Beginn erwähnt, lassen sich zahlreiche physikalische Systeme angenähert als
harmonische Oszillatoren beschreiben. Jedoch sind in realen Systemen die
Rückstellkräfte häufig bei grösseren Auslenkungen nicht linear. Diese Nichtlinearität
führt zu anharmonischen Oszillationen, bei denen das System Schwingungen bei einer
Reihe von Frequenzen ausführt. In anderen Worten ein idealer harmonischer
Oszillator, bei dem die Rückstellkraft für beliebig grosse Auslenkungen linear
in der Auslenkung aus der Ruhelage ist, existiert nicht. Dennoch kann die
Rückstellkraft auch für solche Systeme für genügend kleine Auslenkungen aus der
Ruhelage linearisiert werden. Mathematisch bedeutet diese Linearisierung,
dass die Rückstellkraft um die Ruhelage
bis zum linearen Term
(Taylor-)entwickelt wird
wobei wir verwendet haben, dass in der Ruhelage keine Kraft auf das Teilchen
wirkt, d.h.
. Wenn alle anderen Terme in dieser Entwicklung ausreichend
klein sind, so lässt sich das System in guter Näherung als harmonischer Oszillator
beschreiben.
Die Schrödinger-Gleichung lautet
Das Potential (siehe Abb. 10.2) ergibt sich dabei aus der Integration über
die Rückstellkraft
Wir sehen, dass das Potential zeitunabhängig ist und betrachten deshalb die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung
Diese Differentialgleichung lässt sich z.B. mit Hilfe eines Potenzreihenansatzes lösen (siehe Anhang E).
Hier betrachten wir jedoch eine häufig verwendete Lösungsmethode, bei der zunächst sogenannte Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren eingeführt werden. Dazu schreiben wir die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung um, indem wir die beiden Operatoren
einführen, wobei die Oszillatoramplitude normiert.
Bevor wir die Schrödinger-Gleichung umschreiben, gehen wir zuerst auf einige
wichtige Eigenschaften der Operatoren und
ein:
Dass die Relation (10.10) für die Operatoren und
erfüllt ist, zeigt
folgende Rechnung
Partielle Integration für den zweiten Summanden liefert
Einsetzen in (10.11) ergibt
D.h. es gilt . Analog folgen
Wir kommen nun zurück zu unserem ursprünglichen Ziel, der Formulierung der
Schrödinger-Gleichung (10.7) mit Hilfe der Operatoren und
. Wir berechnen
dazu den Ausdruck
. Es ergibt sich mit
(siehe
Berechnung (10.14))
Damit hat die Schrödinger-Gleichung des harmonischen Oszillators ausgedrückt in
den Operatoren und
die folgende Form
Wir gehen noch einen Schritt weiter und schreiben
D.h. die Eigenfunktionen des Hamilton-Operators sind Eigenfunktionen des
Operators
zum Eigenwert
. Später werden wir erkennen,
dass der Erwartungswert des Operators
der Anzahl
der Quanten
des
harmonischen Oszillators entspricht.
Unser nächstes Ziel ist nun die Bestimmung der Eigenfunktionen und der
entsprechenden Eigenwerte
des Operators
. Die Eigenfunktionen
sind identisch mit denen des Hamilton-Operators und die entsprechenden
Energieeigenwerte
ergeben sich dann zu
Dabei haben wir die Quantenzahl für die Eigenfunktionen
und die
Energieeigenwerte
eingeführt.
Wir bestimmen den Grundzustand des Operators , d.h. die Eigenfunktion
zum niedrigst möglichen Eigenwert
. Dazu müssen wir als erstes den niedrigst
möglichen Eigenwert bestimmen. Da der Operator
der adjungierte Operator von
ist, gilt
Demzufolge ist der niedrigstmögliche Eigenwert . Nach (10.22) muss dann
für die entsprechende Eigenfunktion
gelten
, d.h. wir
erhalten folgende Differentialgleichung zur Bestimmung des Grundzustands
Wir wählen den Ansatz und erhalten für die Bestimmung der
Konstanten
die Gleichung
mit der Lösung
. Damit
ergibt sich
Die Konstante ergibt sich aus der Normierungsbedingung
zu . Damit erhalten wir für den Grundzustand
den
folgenden Ausdruck (siehe Abb. 10.3)
Zur Bestimmung der weiteren Eigenfunktionen zeigen wir zwei kleine
Sätze.
Satz 10.1 Ist Eigenfunktion von
zum Eigenwert
, so ist
eine
Eigenfunktion von
zum Eigenwert
, d.h. der Operator
erniedrigt den
Eigenwert
um 1. Daher wird
Vernichtungsoperator genannt. Für die
normierte Eigenfunktion
gilt
Beweis:
Wir wenden den Operator auf die Eigenwertgleichung (10.20) an
Mit und (10.15) erhalten wir
Mit
folgt für die normierte Eigenfunktion
Der entsprechende Satz für den Operator lautet:
Satz 10.2 Ist Eigenfunktion von
zum Eigenwert
, so ist
eine Eigenfunktion von
zum Eigenwert
, d.h. der Operator
erhöht den
Eigenwert
um 1. Daher wird
Erzeugungsoperator genannt. Für die
normierte Eigenfunktion
gilt
Beweis:
Wir wenden den Operator auf die Eigenwertgleichung (10.20) an
Mit und (10.14) erhalten wir
Mit
folgt für die normierte Eigenfunktion
Nach Satz 10.2 ergeben sich nun die Eigenfunktionen zu den Eigenwerten
= 1, 2, 3, ... durch Anwendung von
auf
Wir zeigen nun, dass wir damit alle Eigenfunktionen gefunden haben, d.h. wir beweisen den folgenden Satz:
Satz 10.3 Mit ,
, haben wir alle
Eigenfunktionen des Operators
gefunden.
Widerspruchsbeweis:
Wir nehmen an, dass ein Eigenwert mit
und
existiert und zeigen, dass diese Annahme auf einen Widerspruch führt. Die
Eigenwertgleichung lautet
Mit (10.27) folgt
Dies steht im Widerspruch zur Positivität der Eigenwerte von .
Fassen wir die Abschnitte 10.2.2 und 10.2.3 zusammen:
Die Eigenfunktionen des Hamilton-Operators des harmonischen Oszillators
lauten (siehe Abb. 10.4)
mit den Energieeigenwerten (siehe Tab. 10.1)
Insbesondere sind die Eigenfunktionen reell und je grösser die Anzahl
der Nullstellen der Eigenfunktionen ist, umso höher liegt der entsprechende
Energieeigenwert. Diese Regel gilt allgemein bei eindimensionalen Problemen.
Die Eigenfunktionen lassen sich durch die sogenannten Hermite-Poly-nome
ausdrücken (siehe Anhang I.1). Es gilt
wobei die Hermite-Polynome gegeben sind durch (siehe Tab. 10.1)
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Die niedrigste Energie des harmonischen Oszillators ist klassisch ,
quantenmechanisch
, d.h. im Gegensatz zur klassischen Mechanik
erhalten wir in der Quantenmechanik eine endliche Grundzustandsenergie, auch
Nullpunktsenergie genannt. In diesem Abschnitt gehen wir nun genauer auf diese
Nullpunktsenergie ein.
Wir bestimmen als erstes die Orts- und Impulsunschärfe und
. Für den
Erwartungswert
des Ortes erhalten wir
Demzufolge ergibt sich für die Ortsunschärfe
Analog erhalten wir für den Erwartungswert des Impulses und die
Impulsunschärfe
Damit erhalten wir im Grundzustand für die Orts- und Impulsunschärfe
Somit ist das Teilchen im Grundzustand nicht bei lokalisiert, sondern ist über
einen endlichen Bereich „verschmiert“, verbunden mit einem endlichen Impuls. Diesen
Sachverhalt wird Nullpunktsschwankung genannt.
Wir leiten zusätzlich eine Ungleichung für die Nullpunktsenergie ausgehend von der Unschärferelation
her. Die Wellenfunktion werden wir dazu nicht explizit berechnen. Aus
Symmetriegründen gilt für den Grundzustand und somit
Damit erhalten wir für die Energie die folgende Ungleichung
Wir bestimmen das Minimum der rechten Seite der Ungleichung indem wir die
Ableitung nach null setzen
Auflösen nach ergibt
Damit lautet die Ungleichung für die Energie
Somit wird klar, dass die Nullpunktsenergie der kleinste Energiewert ist, der mit der Unschärferelation vereinbar ist.
Für die stationären Lösungen gilt nach (10.46)
, d.h. in diesen
stationären Zuständen führt der harmonische Oszillator einzeln keine Oszillation aus.
Sie haben daher insbesondere nichts mit der klassischen Oszillationsbewegung
gemeinsam. Das Ziel ist es nun Lösungen der zeitabhängigen Schrödinger-Gleichung
zu bestimmen, die eine periodische Oszillation darstellen, d.h. Zustände in
denen der Erwartungswert des Ortes nicht verschwindet, sondern bzgl. der
Zeitabhängigkeit mit der klassischen Oszillationsbewegung übereinstimmt. Wir
gehen dazu von den Eigenzuständen
des Vernichtungsoperators
aus
Wir entwickeln diese Zustände nach den stationären Zuständen
. Nach
Abschnitt 9.5.7 erhalten wir
wobei für die Entwicklungskoeffizienten mit (9.278), (10.38), (10.58) und der
Eigenschaft, dass
der adjungierte Operator von
ist, gilt
Damit folgt
Die Konstante ergibt sich aus der Normierungsbedingung
Damit erhalten wir
Einsetzen in (10.61) liefert für die Zustände die folgende Entwicklung
Die Zustände erhalten wir durch die Zeitentwicklung der stationären
Zustände
Mit ergibt sich
Die Zustände werden kohärente
Zustände1
genannt und sind Lösung der zeitabhängigen Schrödinger-Gleichung. Für den
Erwartungswert
ergibt sich mit
D.h. der Erwartungswert des Ortes führt eine periodische Oszillation aus. Wir haben also mit diesen kohärenten Zuständen, Zustände des harmonischen Oszillators gefunden, in denen der Erwartungswert des Ortes die selbe Zeitabhängigkeit wie die klassische Schwingung zeigt.
Zum Abschluss dieses Kapitels vergleichen wir den quantenmechanischen mit dem klassischen harmonischen Oszillator. Die klassische Bewegung ist beschrieben durch
wobei die Amplitude der Schwingung bezeichnet. Die klassische
Aufenthaltswahrscheinlichkeit
das Teilchen im Intervall
anzutreffen, ist gegeben durch
wobei die Aufenthaltsdauer in
und
die Periode ist. Mit (10.68)
erhalten wir für
den Ausdruck
Einsetzen in (10.70) ergibt
Abb. 10.5 zeigt die quantenmechanische Aufenthaltswahrscheinlichkeit
für die Quantenzahlen
und
zusammen mit der
entsprechenden klassischen Aufenthaltswahrscheinlichkeit
: Die klassische
Aufenthaltswahrscheinlichkeit
nimmt gegen die Umkehrpunkte
monoton zu (da sie umgekehrt proportional zur Geschwindigkeit ist).
Die quantenmechanische Aufenthaltswahrscheinlichkeit
oszilliert,
wobei die Höhe der Maxima gegen die klassische Umkehrpunkte zunimmt.
Quantenmechanisch existiert zusätzlich eine endliche Wahrscheinlichkeit
das Teilchen bei Amplituden grösser als den klassischen Umkehrpunkten
anzutreffen. Für sehr hohe Quantenzahlen
nähert sich die
quantenmechanische der klassischen Aufenthaltswahrscheinlichkeit an. Die
Oszillationen werden immer schwächer und die Wahrscheinlichkeit das Teilchen bei
Amplituden grösser als den klassischen Umkehrpunkten
anzutreffen
sinkt.
Daraus folgen die Eigenzustände
wobei und die Energieeigenwerte