In den vorangegangenen Kapiteln haben wir uns mit physikalischen Situationen und experimentellen Ergebnissen auseinandergesetzt, bei denen die klassische Physik nicht mehr ausreicht, um die beobachteten Phänomene befriedigend zu erklären. Diese Problematik motivierte die Einführung der Quantenmechanik. In Kapitel 8 haben wir z.B. erkannt, dass das Bohrsche Atommodell grundlegende Eigenschaften der Spektren von Atomen mit einem Elektron mit Hilfe semiklassischer Annahmen, die auf der Beschreibung der Eigenschaften von Teilchen durch Materiewellen beruhen, erklären kann. Um ein detailliertes physikalisches Verständnis von Atomen in elektromagnetischen Feldern oder Atomen mit mehreren Elektronen zu erlangen, erkannte man am Anfang des letzten Jahrhunderts schnell, dass eine vollständig neue Theorie, die heute als Quantenmechanik bekannt ist, benötigt werden würde.
Historisch gesehen wurden die Grundlagen der Quantenmechanik in den Jahren 1925 und 1926 mit Hilfe wichtiger Beiträge bekannter Physiker wie Erwin Schrödinger1, Werner Heisenberg, Max Born, Paul Dirac und anderer entwickelt. Das grundlegende Ziel war eine Theorie zu entwickeln, die die Welleneigenschaften von Teilchen korrekt beschreibt. Schon bis in die 1930er Jahre, kurz nach ihrer Entwicklung, konnten eine grosse Anzahl von Beobachtungen und Experimenten in der Physik und auch der Chemie durch diese neue Theorie erklärt werden.
In diesem Kapitel beschäftigen wir uns nun mit den wichtigen Aspekten des Formalismus der Quantenmechanik. Die Theorie basiert auf einigen wenigen grundlegenden Postulaten, mit deren Hilfe alle Beobachtungen von quantenmechanischen Phänomenen in der Natur korrekt beschrieben werden können. Bis heute hat noch kein Experiment den Vorhersagen der Quantenmechanik widersprochen.
Hier führen wir in die Grundlagen der Quantenmechanik basierend auf der Wellenmechanik von de Broglie ein (siehe Kapitel 6). Wir werden uns dabei zunächst auf die quantenmechanischen Eigenschaften der Dynamik einzelner Teilchen (Massepunkte) in einer Dimension, beschrieben durch die Ortskoordinate und den Impuls , beschränken. Dabei soll jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Postulate und hergeleiteten Sätze auch für drei Dimensionen gelten.
Zur Formulierung des ersten Postulats der Quantenmechanik benötigen wir die folgende Definition:
Definition 9.1 Eine Funktion heisst quadratisch integrabel, falls gilt
wobei die komplex konjugierte Funktion von bezeichnet. Der Raum aller quadratisch integrablen Funktionen wird mit bezeichnet.
Postulat 1 Zu einem Teilchen (Massepunkt) gehört eine eindeutige, quadratisch integrable, im Allgemeinen komplexe Wellenfunktion . Sie beschreibt den Zustand des Teilchens. Dabei gibt die Wahrscheinlichkeit an das Teilchen zur Zeit zwischen und anzutreffen. Die Grösse wird daher als Wahrscheinlichkeitsdichte bezeichnet.
Wir diskutieren zunächst einige wichtige Aspekte dieses Postulats. Da die Wellenfunktion quadratisch integrabel ist, kann sie normiert werden. Dazu ziehen wir die Bedingung heran, dass die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen zur Zeit irgendwo auf der x-Achse anzutreffen 100% ist. Daher lautet die Normierungsbedingung
Weiter gilt nach dem Postulat 1, dass der Zustand des Teilchens durch die Wellenfunktion bestimmt ist. Somit sind alle Informationen über die quantenmechanischen Eigenschaften eines Teilchens in enthalten. Experimentell erfassbare Grössen werden in der Quantenmechanik durch Erwartungswerte charakterisiert. Nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung gilt folgende Definition.
Definition 9.2 Der Erwartungswert einer Funktion , die eine gegebene physikalische Messgrösse beschreibt, ist für einen bestimmten Zeitpunkt gegeben durch
Dabei ist zu beachten, dass die instruktive Umformung in der zweiten Zeile nur dann gilt, wenn die Funktion reelle oder komplexe Werte annimmt. Handelt es sich bei der Funktion um einen sogenannten Operator, so ist (9.3) in der gegebenen Form explizit zu verwenden, wie wir in Abschnitt 9.3 einsehen werden. Beispiele für Funktionen sind die Ortskoordinate des Teilchens oder seine potentielle Energie .
Zur Veranschaulichung des ersten Postulats betrachten wir ein Teilchen in einem eindimensionalen Potentialtopf (siehe Abb. 9.1).
D.h. die Bewegung des Teilchens entlang der x-Richtung ist durch harte Wände an den Positionen und eingeschränkt. Damit sind die Gebiete und für das Teilchen nicht erreichbar. Diese Tatsache wird durch das folgende Potential beschrieben
Wir betrachten das Teilchen nun als Materiewelle. Im Bereich kann sich das Teilchen frei bewegen. Daher setzen wir für die Wellenfunktion , die den Zustand des Teilchens in diesem Bereich beschreibt, die Wellenfunktion für ein freies Teilchen an. Nach (6.17) gilt
Klassisch gesehen besteht für ein freies Teilchen zwischen der Energie und dem Impuls die folgende Beziehung
D.h. bei konstanter Energie kann der Impuls in einer Dimension zwei mögliche Werte annehmen, die einer Bewegung des Teilchens entlang der positiven oder negative Koordinatenachse entspricht. Wir erweitern daher unseren Ansatz zu einer Superposition von einer nach rechts und einer nach links laufenden Materiewelle
Nun berücksichtigen wir, dass die freie Bewegung des Teilchens auf den Bereich beschränkt ist. D.h. die betrachtete Wellenfunktion muss folgenden Randbedingungen genügen
Aus folgt . Damit erhalten wir
Aus folgt und damit mit . Woraus wir die Bedingung erhalten, dass der Impuls und damit die Energie des Teilchens im Potentialtopf nur diskrete Werte annehmen kann
Hier erkennen wir, dass die Beschreibung eines Teilchens in einem Potentialtopf als Materiewelle auf natürliche Art und Weise zu einer diskreten Abfolge von möglichen Energiewerten des Teilchens, also zu einer Quantisierung, führt.
Die Wellenfunktion zur Energie nimmt damit die folgende Form an
Zur Bestimmung der Konstanten ziehen wir nun die Normierungsbedingung (9.2) heran. Wir erhalten
Daraus ergibt sich und somit für die Wellenfunktion zur Energie für das Teilchen im Potentialtopf das folgende Resultat (siehe Abb. 9.2)
Ein Potentialtopf, wie wir ihn hier besprochen haben, ist ein gutes Modell für die Energieniveaus von Elektronen in sogenannten Quantenpunkten (quantum dots). Die Elektronen in Quantenpunkten sind in ihrer Beweglichkeit in allen drei Raumrichtungen eingeschränkt. Realisiert werden Quantenpunkte in sogenannten Nanostrukturen, welche grösstenteils aus verschiedenen Halbleitermaterialien aufgebaut sind.
Bisher haben wir die Wellenfunktion als eine Funktion der Ortsvariablen betrachtet. Wir haben also die sogenannte Ortsraumdarstellung gewählt. Anstelle der Ortskoordinate kann jedoch auch der entsprechende Impuls als Variable eingeführt werden. Man postuliert dann eine weitere, ebenfalls eindeutige, quadratisch integrable, im Allgemeinen komplexe Wellenfunktion , die den Zustand des Teilchens im folgenden Sinn beschreibt: ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Teilchen zur Zeit einen Impuls zwischen und besitzt.
Auch für diese Wellenfunktion gilt eine Normierungsbedingung
Wir können auch hier für eine Funktion , die sich aufs Teilchen bezieht, den entsprechenden Erwartungswert definieren.
Definition 9.3 Der Erwartungswert einer Funktion ist für einen bestimmten Zeitpunkt gegeben durch
Hier gelten die selben Einschränkungen wie wir sie bereits für die Wellenfunktionen im Ortsraum diskutiert haben. Beispiele für die Funktion sind der Impuls des Teilchens oder seine kinetische Energie .
Nun untersuchen wir, welcher Zusammenhang zwischen der Wellenfunktion im Ortsraum und der Wellenfunktion im Impulsraum besteht. Wir betrachten dazu ein Teilchen mit konstanter Gesamtenergie , z.B. ein Teilchen, das sich mit konstanter kinetischer Energie in einem konstanten Potential bewegt. Der Zustand wird durch ein entsprechendes Wellenpaket beschrieben (siehe Abschnitt 6.4)
Dabei ist durch die entsprechende Fourier-Transformierte gegeben
Mit der de Broglie-Beziehung folgt damit, dass auch die Wellenfunktionen im Orts- bzw. Impulsraum und durch eine Fourier-Transformation miteinander verbunden sind. Es gilt
In der klassischen Mechanik sind die Eigenschaften eines Teilchens, wie zum Beispiel sein Ort und sein Impuls , gleichzeitig beliebig genau bestimmt. Diese Eigenschaften lassen sich im Prinzip mit beliebiger, nur durch die Messapparatur begrenzter, Genauigkeit in einer Messung bestimmen.
Im Gegensatz dazu ist eine charakteristische Eigenschaft der Quantenmechanik, dass der Ort und der Impuls eines Teilchens nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmt sind. Versucht man zum Beispiel und gleichzeitig zu messen, so gilt, dass das Produkt der Standardabweichungen der Messresultate für Ort und Impuls immer grösser ist als eine Konstante, die durch die Quantenmechanik bestimmt ist. Diese Eigenschaft der Quantenmechanik wird als Heisenbergsche Unschärferelation bezeichnet.
Diese Unschärferelation gilt nicht nur für Ort und Impuls eines Teilchens sondern auch für andere Grössen, wie z.B. Energie und Zeit oder die Komponenten des Bahndrehimpulses in drei Dimensionen, wie wir später kennen lernen werden.
Bevor wir uns der Einbettung der Unschärferelation in die Wellenmechanik zuwenden, betrachten wir als Illustration die Beugung einer Materiewelle am Spalt.
Im betrachteten Versuch (siehe Abb. 9.3) bewegt sich ein Teilchenstrom von links auf einen Spalt der Breite zu.
Der Spalt sei bei positioniert. Vor dem Spalt, d.h. für , kennt man die x-Koordinate des Teilchens nicht, dafür ist die Impulskomponente genau bekannt. Trifft nun dieser Teilchenstrahl auf den Spalt, so erfolgt eine Selektion der Teilchen. Die x-Koordinate ist dann bis auf die Unschärfe bekannt. Jedoch gibt es durch die Beugung am Spalt Teilchen, die unter einem nicht verschwindenden Winkel auslaufen. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung ergibt sich aus der Beugung der Materiewelle (de Broglie-Welle). Die meisten Teilchen treffen in den Winkelbereich
Damit kann die in Abb. 9.3 eingezeichnete Grösse als Unschärfe der Impulskomponente aufgefasst werden. Es gilt dabei der folgende Zusammenhang
Mit der de Broglie-Beziehung erhalten wir
Berücksichtigt man die Tatsache, dass einige Teilchen auch in die Nebenmaxima fallen, so wird aus der Gleichung eine Ungleichung
Diese Ungleichung besagt, dass die Ortskoordinate und die Impulskomponente gleichzeitig nicht beliebig genau bestimmbar sind.
In diesem Abschnitt haben wir den Begriff der Unschärfe anhand eines Beispiels eingeführt. Nun wenden wir uns der formalen Berechnung der Unschärferelation eines Teilchens im Rahmen der Wellenmechanik zu.
Definition 9.4 Entsprechend den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung ist die Unschärfe einer Grösse bestimmt durch die Standardabweichung, die durch die Wurzel des Erwartungswerts der Quadrate der Abweichungen vom Erwartungswert gegeben ist
Wir wenden diese Definition 9.4 auf ein Teilchen an, dessen Zustand durch eine reelle Wellenfunktion beschrieben ist (für genaue Ausführungen der folgenden Berechnungen verweisen wir auf Anhang A). ist so beschaffen, dass die Wahrscheinlichkeitsdichte des Teilchens einer Gauss-Verteilung entspricht
und somit ein Wellenpaket der charakteristischen Breite formt. Diese Funktion ist normiert, d.h. es gilt
Für den Erwartungswert der Ortskoordinate erhalten wir
d.h. beschreibt ein Teilchen, das sich im Mittel bei aufhält. Damit ergibt sich für die Unschärfe der Ortskoordinate
entspricht also gerade der Breite der Gauss-Verteilung.
Um die Eigenschaften der Impulsverteilung des Teilchens zu bestimmen, berechnen wir die Wellenfunktion in der Impulsraumdarstellung. Mit Hilfe der Fourier-Transformation (9.20) erhalten wir
Die Ausführung der Integration liefert
Damit ergibt sich für die Wahrscheinlichkeitsdichte im Impulsraum
Der Erwartungswert nimmt den Wert
an, d.h. das Teilchen hat einen verschwindenden mittleren Impuls. Gleichzeitig ergibt sich eine Impulsunschärfe von
Mit (9.30) erhalten wir daraus für die Unschärferelation eines Gaussschen Wellenpakets
Das Gausssche Wellenpaket erfüllt somit gerade die minimale Unschärferelation (siehe Abschnitt 9.2.3).
Nachdem wir zwei Beispiele zur Unschärferelation betrachtet haben, kommen wir zur Formulierung der Unschärferelation nach Heisenberg, wie sie 1927 aufgestellt wurde. Wir schreiben sie hier für die Ortskoordinate und die Impulskomponente
Für die allgemeine Formulierung und die Herleitung sei auf Anhang B oder weiterführende Literatur [11] verwiesen.
Wir erwähnen hier noch eine weitere Form der Heisenbergschen Unschärferelation, die sogenannte Energie-Zeit-Unschärferelation. Es gilt
Die Formulierung (9.38) sagt aus, dass die Energie eines Systems, welches für die Zeitspanne existiert, z.B. ein Atom dessen Lebensdauer im angeregten Zustand durch gegeben ist, nur auf genau bestimmt ist. Diese Relation legt zum Beispiel die Breite von spektralen Linien eines atomaren Übergangs im Verhältnis zur Lebensdauer des angeregten Zustands des Atoms fest.
Operatoren spielen in der Quantenmechanik eine entscheidende Rolle. Denn jede physikalische Grösse wird durch einen entsprechenden Operator dargestellt. Die Bedeutung von Operatoren im Rahmen der Quantenmechanik, besprechen wir in diesem Abschnitt.
Wir beginnen mit einer Diskussion der Frage, wie sich der Erwartungswert des Impulses in der Ortsraumdarstellung berechnen lässt.
Wenn wir den Zustand des Teilchens durch die Wellenfunktion im Impulsraum beschreiben, so lässt sich der Erwartungswert des Impulses einfach als Mittelwert von zur Wellenfunktion berechnen
Wenn der Zustand des Teilchens aber durch die Wellenfunktion im Ortsraum beschrieben wird, so muss folgender Erwartungswert
berechnet werden.
Hier stellt sich nun die Frage in welchem Zusammenhang der Impuls des Teilchens mit der Wellenfunktion steht. Zur Lösung des Problems gehen wir von der Impulsraumdarstellung aus und gehen dann durch die Fourier-Transformation auf die Ortsraumdarstellung über. In einem ersten Schritt setzen wir für in (9.39) die Fourier-Transformierte ein
Wir schreiben das Integral über mittels partieller Integration um
Der erste Summand verschwindet, da quadratisch integrabel (normierbar) ist und somit insbesondere im Unendlichen gegen null strebt. Einsetzen in (9.41) und Umformen liefert
Wir kommen somit zu folgendem Schluss:
In der Ortsraumdarstellung, in der der Zustand eines Teilchens durch die Wellenfunktion beschrieben ist, wird der Erwartungswert des Impulses berechnet, indem man in (9.40) den Impuls durch den Impulsoperator
ersetzt.
Analog können wir nun auch den Erwartungswert der Ortskoordinate in der Impulsraumdarstellung berechnen. Wir gehen hier entsprechend von der Ortsraumdarstellung aus und wechseln mittels Fourier-Transformation in die Impulsraumdarstellung
Partielle Integration für das Integral über liefert
Der erste Summand verschwindet, da auch quadratisch integrabel (normierbar) ist und somit insbesondere im Unendlichen gegen null strebt. Einsetzen in (9.45) und Umformen liefert
Wir fassen zusammen:
In der Impulsraumdarstellung, in der der Zustand eines Teilchens durch die Wellenfunktion beschrieben ist, wird der Erwartungswert der Ortskoordinate berechnet, indem man die Ortskoordinate in
durch den Ortsoperator
ersetzt.
In der Ortsraumdarstellung ist der Ortsoperator trivialerweise der Faktor und in der Impulsraumdarstellung ist der Impulsoperator trivialerweise der Faktor . In Tab. 9.1 sind die Berechnungen für die Erwartungswerte für die Ortskoordinate und den Impuls für die Orts- und Impulsraumdarstellung zusammengefasst. Es ist zu bemerken, dass die Operatoren jeweils auf die nachfolgende Funktion wirken und daher die Reihenfolge der Faktoren von entscheidender Bedeutung ist.
Entsprechend zu den vorangegangenen Berechnungen in diesem Abschnitt kön-nen auch die Erwartungswerte von Potenzen der Ortskoordinate und des Impulses berechnet werden. Es ergibt sich für den Erwartungswert von Potenzen von in der Ortsraumdarstellung
und entsprechend für den Erwartungswert von Potenzen von in der Impulsraumdarstellung
Bei der Betrachtung von weiteren Beispielen von Operatoren beschränken wir uns auf die Ortsraumdarstellung.
Wie wir im letzten Abschnitt gesehen haben, ist der Ortsoperator in Ortsraumdarstellung gleich dem Faktor . Entsprechend gilt in drei Dimensionen für den Ortsoperator die folgende einfache Darstellung
Beschreiben wir die Bewegung eines Teilchens im dreidimensionalen Raum in kartesischen Koordinaten, dann ist jeder Impulskomponente ein Operator zugeordnet. Nach (9.44) gilt für die Operatoren , und der Impulskomponenten
Dem Impulsvektor ist also ein Impulsoperator zugeordnet. Wenn man ihn auf eine Wellenfunktion anwendet, so resultiert ein Vektor.
Die Erwartungswerte der Impulskomponenten , und lassen sich berechnen durch
Aus der klassischen Mechanik ist die Hamilton-Funktion bekannt. Sie entspricht der Gesamtenergie eines Systems ausgedrückt als Funktion der verallgemeinerten Koordinaten und der dazu kanonisch konjugierten Impulse . Der Hamilton-Operator ist die zugehörige quantenmechanische Grösse.
Wir betrachten als Beispiel die Bewegung eines Teilchens der Masse mit den kartesischen Koordinaten , und im Potential . Die konjugierten Impulse sind demzufolge die kartesischen Impulskomponenten , und . Wir beschränken uns hier auf eine nichtrelativistische Betrachtung. Klassisch gelten die folgenden Beziehungen
Damit lässt sich die kinetische Energie schreiben als
Die entsprechende Hamilton-Funktion lautet somit
Den entsprechenden Hamilton-Operator in Ortsraumdarstellung erhalten wir, indem wir die Impulskomponenten , und durch die entsprechenden Impulsoperatoren , und in Ortsraumdarstellung ersetzen. Mit (9.53), (9.54) und (9.55) ergibt sich somit für den Hamilton-Operator
wobei den Laplace-Operator bezeichnet. Die potentielle Energie ist kein Differentialoperator, da sie die Impulskomponenten nicht enthält. Sie wirkt als Faktor.
Der Erwartungswert der Hamilton-Funktion ist gegeben durch
Der (klassische) Bahndrehimpulsvektor eines Teilchens bzgl. des Ursprungs ist definiert als
wobei den Ortsvektor und den Impulsvektor bezeichnen. Zum Bahndrehimpulsoperator gelangen wir nun, indem wir für jede Impulskomponente den entsprechenden Operator einsetzen. Die Ortskoordinaten bleiben als Faktoren stehen, da wir in der Ortsraumdarstellung rechnen. Es gilt
Beim Wasserstoffatom bewegt sich das Elektron im Zentralpotential des Kerns (siehe Kapitel 11). Es zeigt sich, dass diese Bewegung eines Teilchens im Zentralpotential einfachheitshalber in Kugelkoordinaten behandelt wird. Aus diesem Grund geben wir hier den Bahndrehimpulsoperator zusätzlich auch in Kugelkoordinaten an. Man erhält für den Bahndrehimpulsoperator in Kugelkoordinaten
Wir beweisen die Richtigkeit dieses Ausdrucks indem wir auf die kartesischen Koordinaten zurückrechnen. Die Umrechnung zwischen kartesischen Koordinaten und Kugelkoordinaten lautet (siehe Abb. 9.4)
Diese Ausdrücke stimmen mit (9.67) überein, womit die Richtigkeit von (9.68) bewiesen ist.
Das Plancksche Wirkungsquantum hat die Dimension des Bahndrehimpulses. In der Quantenmechanik wird deshalb der Bahndrehimpuls oft in Einheiten von angegeben, sodass in den Formeln für den Bahndrehimpuls der Faktor entfällt.
Wir haben bisher an diversen Beispielen erörtert, wie eine physikalische Grösse in der Quantenmechanik durch einen entsprechenden Operator dargestellt wird. In Tab. 9.2 sind die kennengelernten Operatoren in der Ortsraumdarstellung nochmals zusammengefasst. Wir definieren nun zum Abschluss dieses Abschnitts allgemein was man unter einem Operator in der Quantenmechanik versteht und gehen auf seine Eigenschaften ein.
Physikalische Grösse | klassisch | Operator |
Ortsvektor | ||
Impulsvektor | ||
Hamilton-Funktion | ||
Bahndrehimpulsvektor | ||
Definition 9.5 Ein quantenmechanischer Operator ist definiert durch die Bedingung, dass für eine Funktion gilt
Dabei bezeichnet den Raum der quadratisch integrablen Funktionen (siehe Definition 9.1).
Quantenmechanische Operatoren besitzten folgende Eigenschaften:
Eine erste Eigenschaft quantenmechanischer Operatoren ist die Linearität:
Quantenmechanische Operatoren erfüllen zudem das Distributivgesetz.
Quantenmechanische Operatoren erfüllen ebenfalls das Assoziativgesetz.
Quantenmechanische Operatoren kommutieren im Allgemeinen nicht. Bevor wir die Definition des Kommutativgesetzes angeben, führen wir den Begriff des Kommutators ein.
Mit Hilfe dieser Definition 9.9 formulieren wir das Kommutativgesetz.
Definition 9.10 Zwei Operatoren und kommutieren falls der entsprechende Kommutator verschwindet, d.h.
Ist der Kommutator ungleich null, so kommutieren die beiden Operatoren nicht.
Wir betrachten dazu einige Beispiele. Als erstes betrachten wir die zu den Funktionen und gehörenden Operatoren und in der Ortsraumdarstellung. Anwendung auf ergibt
Damit folgt
Diese Gleichung gilt unabhängig von der Wellenfunktion , auf welche die Operatoren wirken. D.h. für den Kommutator der beiden Operatoren und gilt
In diesem Beispiel verschwindet der Kommutator nicht, d.h. die beiden Operatoren und kommutieren nicht. Es sei bemerkt, dass die Operatorgleichung (9.85) ganz allgemein für kanonisch konjugierte Variablen gilt.
Im Gegensatz gibt es auch Operatoren, deren Kommutator verschwindet. Zum Beispiel gilt für die Anwendung der Operatoren und auf die Wellenfunktion in der Ortsraumdarstellung
Das Nichtverschwinden eines Kommutators hat (wie wir in Abschnitt 9.5.4 präzisieren und beweisen werden) folgende Bedeutung: Die Erwartungswerte nicht kommutierender Operatoren können nicht gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit bestimmt werden.
Diese Eigenschaft ist, wie wir auch im Zusammenhang mit der Heisenbergschen Unschärferelation (siehe Abschnitt 9.2) gesehen haben, ein wichtiger Aspekt der Quantenmechanik. In der klassischen Physik beobachten wir dieses Phänomen nie: Klassische Messgrössen kommutieren immer und sind dementsprechend gleichzeitig beliebig genau bestimmbar. Es fällt jedoch auf, dass der Kommutator der Operatoren und für verschwindet. In diesem Grenzfall können dann und beliebig genau bestimmt werden. In diesem Grenzfall strebt auch die de Broglie-Wellenlänge gegen null, so dass keine Beugungserscheinungen mehr auftreten. Insbesondere verschwindet auch die rechte Seite der Heisenbergschen Unschärferelation (9.37). Aus diesen Gründen kann die klassische Mechanik als Grenzfall der Quantenmechanik für betrachtet werden.
Am Beispiel der verschiedenen Komponenten des Bahndrehimpulses zeigt sich, dass nicht nur Operatoren, die kanonisch konjugierten Variablen entsprechen, nicht kommutieren. Für die Anwendung des Kommutators der Operatoren und auf die Wellenfunktion erhält man
Analog ergibt sich
Dies bedeutet, dass es nicht möglich ist, dass zwei verschiedene Komponenten des Bahndrehimpulses gleichzeitig beliebig genau bestimmt werden können.
Operatoren in der Quantenmechanik haben reelle Erwartungswerte, da physikalisch messbare Grössen, sogenannte Observable2, reell sind. Beispiele für Observable sind Ortskoordinaten, Impuls, Bahndrehimpuls, Energie oder allgemein reelle Funktionen von Orts- und Impulskoordinaten.
Ein Operator , der einer Observablen entspricht, muss demzufolge folgende Bedingung erfüllen
d.h. der Erwartungswert muss gleich seinem konjugiert Komplexen sein. Für den Operator gilt daher
Operatoren, die diese Bedingung erfüllen, werden nach Charles Hermite hermitesche oder selbstadjungierte Operatoren genannt. Es ergibt sich also folgende Schlussfolgerung:
Jeder Observablen entspricht ein hermitescher Operator .
womit gezeigt ist, dass der Impulsoperator hermitesch ist. PI steht für partielle Integration.
Es stellt sich heraus, dass Operatoren zu Observablen nicht automatisch hermitesch sind. Als Beispiel betrachten wir dazu die Funktionen und . Sie sind als Produkt aus Ortskoordinate und Impuls physikalisch deutbare Funktionen und demzufolge Observablen. Die Berechnung der Erwartungswerte und zeigt jedoch, dass weder der Operator noch der Operator hermitesch ist. Zudem erhält man für und unterschiedliche Erwartungswerte.
Es ist jedoch möglich, diese Operatoren zu „hermitesieren“. In unserem Beispiel ist die Hermitesierung relativ einfach: Der zu und gehörende hermitesche Operator lautet
Im Allgemeinen kann diese Aufgabe der Hermitesierung jedoch relativ kompliziert sein.
Ist die Wellenfunktion eines Teilchens bekannt, so ist der Zustand des Teilchens vollständig charakterisiert. Insbesondere ist es möglich die Erwartungswerte beliebiger Observablen auszurechnen und somit das Verhalten des Teilchens in einem Experiment vorauszusagen. Es stellt sich nun die Frage: Wie bestimmt man die Wellenfunktion eines Teilchens?
Die Antwort auf diese Frage lieferte Schrödinger im Jahr 1926:
Postulat 2 Die Wellenfunktion ist eine Lösung der Differentialgleichung
Diese Gleichung wird nach Schrödinger die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung genannt.
Die Dynamik eines quantenmechanischen Systems wird durch die zeitab-hängige Schrödinger-Gleichung bestimmt. Die Schrödinger-Gleichung ist ein weiteres Postulat der Quantenmechanik und kann nicht hergeleitet oder bewiesen werden.
Für ein Teilchen der Masse , das sich mit nichtrelativistischer Geschwindigkeit in einem Potential bewegt, nimmt die zeitabhängige Schrö-dinger-Gleichung mit (9.64) folgende Form an
In der Quantenmechanik tritt die Schrödinger-Gleichung an die Stelle der Newtonschen Bewegungsgleichung der klassischen Mechanik. Wir verdeutlichen diesen Zusammenhang hier an einem Beispiel.
Ein Teilchen der Masse bewege sich entlang der x-Achse in einem Potential . Die Newtonsche Bewegungsgleichung kann geschrieben werden in der Form
Die Quantenmechanik erlaubt nur statistische Aussagen in Form von berechneten Erwartungswerten. Demzufolge würde die entsprechende Gleichung in der Quantenmechanik folgende Gestalt annehmen
Herleitung:
Die Schrödinger-Gleichung und das konjugiert Komplexe der Schrödinger-Glei-chung für unser Beispiel lauten
Einsetzen in (9.98) liefert
Wir betrachten ein Teilchen der Masse , das sich mit nichtrelativistischer Geschwindigkeit in einem Potential bewegt.
Definition 9.11 Ein Zustand, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die Wahrscheinlichkeit das Teilchen zwischen und anzutreffen nicht von der Zeit abhängt, heisst stationärer Zustand.
Ein Beispiel dafür ist die bereits mehrfach erwähnte ebene, harmonische Materiewelle
Allgemein hat ein stationärer Zustand die Form
In drei Dimensionen gilt
ist die totale Energie des Teilchens, welche bei nichtrelativistischer Behandlung die Summe aus kinetischer und potentieller Energie ist
Wir setzen nun den Ansatz (9.104) in die zeitabhängige Schrödinger-Gleich-ung (9.94) ein, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen sie eine Lösung ist
ist eine Funktion der Ortskoordinaten allein, sodass
Wenn sich das Teilchen in einem zeitunabhängigen Potential bewegt und somit die Gesamtenergie konstant ist () gilt
Diese Gleichung bestimmt die zeitunabhängige Funktion .
Ein Teilchen ist also in einem stationären Zustand, wenn seine Bewegung in einem zeitlich konstanten Potential stattfindet. Für die Funktion gilt dann die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung
Lösungen der Schrödinger-Gleichung in einer Dimension besitzen folgende Eigenschaften (gelten auch in drei Dimensionen):
Bei physikalischen Problemen müssen die Lösungen normierbar sein
Da die Schrödinger-Gleichung linear und homogen ist, darf man eine Lösung mit einem Normierungsfaktor multiplizieren. In Übereinstimmung mit (9.2) wählen wir den Normierungsfaktor jeweils so, dass
Im Fall stationärer Zustände ist , so dass
Aus der Normierungsbedingung folgt, dass und mit genügend rasch gegen null streben müssen. Dasselbe gilt auch für die Ableitungen nach .
und müssen für alle stetig, eindeutig und endlich sein. Dasselbe gilt auch für und .
Diese Eigenschaften garantieren zum Beispiel, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit und der Impuls eines Teilchens kontinuierlich mit den Koordinaten variieren.
Da die Schrödinger-Gleichung linear und homogen ist, ist eine beliebige Linearkombination von Lösungen ebenfalls eine Lösung. D.h. sind zum Beispiel und Lösungen der Schrödinger-Gleichung, so ist ebenfalls eine Lösung.
Es kommt vor, dass idealisierte Beispiele und Grenzfälle einige dieser Eigenschaften nicht erfüllen. Wir geben hier zwei bekannte Beispiele an:
Wir berechnen nun Lösungen der Schrödinger-Gleichung für einige grundlegende physikalische Probleme.
Wir betrachten ein nichtrelativistisches Teilchen, das sich längs der x-Achse bewegen kann und dessen potentielle Energie räumlich und zeitlich konstant ist. Nach der klassischen Mechanik bewegt sich das Teilchen dann mit einem beliebigen, konstanten Impuls von links nach rechts oder von rechts nach links oder es bleibt irgendwo in Ruhe. Wir wollen nun herausfinden wie ein solches Problem quantenmechanisch gelöst wird.
Da das Potential zeitunabhängig ist, kommt die zeitunabhängige Schröd-inger-Gleichung (9.109) zur Anwendung
Wir wählen den folgenden Ansatz
Einsetzen in (9.113) liefert
Daraus ergibt sich
Somit nimmt die Funktion folgende Form an
Die vollständige Wellenfunktion lautet
Mit und ist die Superposition einer links- mit einer rechtslaufenden harmonischen Welle
Nach de Broglie gilt und mit gilt . Der Vergleich mit (9.116) führt auf , was bestätigt, dass der Gesamtenergie des Teilchens entspricht. Für die Wellenfunktion eines Teilchens mit konstantem längs der positiven x-Achse gerichteten Impuls gilt dementsprechend
Die Wahrscheinlichkeitsdichte nimmt dabei den konstanten Wert an. Demzufolge ist diese Wellenfunktion nicht normierbar. In diesem Fall kann die Konstante so gewählt werden, dass sie die konstante Dichte der Teilchen entlang der -Koordinate angibt.
Wir lösen nun das in Abschnitt 9.1.1 besprochene physikalische Problem eines Teilchens in einem Potentialtopf mit der Schrödinger-Gleichung. D.h. wir betrachten ein Teilchen der Masse , das sich längs der x-Achse bewegt, jedoch zwischen den Koordinaten und lokalisiert ist. Das Potential V(x) hat dementsprechend die Form (siehe Abb. 9.1)
Da das Potential zeitunabhängig ist, gilt die zeitunabhängige Schrödinger-Glei-chung
Für und ist wegen . Für nimmt die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung folgende Form an
Wir wählen wieder den Ansatz
Einsetzen in 9.123 liefert
Daraus ergibt sich
Somit nimmt die Funktion folgende Form an
wobei und die Amplituden der rechts bzw. links laufenden Wellen beschreiben. Die Berücksichtigung der Randbedingungen führt analog zu den Ausführungen in Abschnitt 9.1.1 auf die folgende Lösung3
wobei die (diskreten) Energiewerte gegeben sind durch
Die Wellenfunktionen (9.128) erfüllen nicht alle Bedingungen, die man an eine Lösung der Schrödinger-Gleichung stellt, denn die Ableitung der Wellenfunktion nach bei und ist unstetig. Dies ist eine Folge davon, dass das betrachtete Potential zu unphysikalischen Randbedingungen führt. Wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, tritt diese Schwierigkeit beim Potentialtopf mit endlicher tiefe nicht auf. Trotzdem sind die Wellenfunktionen (9.128) durchaus sinnvoll, wenn man sie als Grenzfall betrachtet.
Wir kommen nun vom Spezialfall zum allgemeinen Fall . Wir betrachten ein Teilchen mit Masse , das sich in einem zeitlich konstanten Potential
welches die Gestalt eines symmetrischen Topfes der Tiefe hat (siehe Abb. 9.5), bewegt. Die Gesamtenergie des Teilchens sei .
Wir betrachten zuerst die klassischen Erwartungen und unterscheiden dabei die Fälle und :
Wir kommen nun zur quantenmechanischen Behandlung für den Fall dass , d.h. wenn das Teilchen im Potentialtopf lokalisiert ist. Wir unterteilen die x-Achse in drei Bereiche I, II und III (siehe Abb. 9.5) für die wir die zeitunabhängige (Potential ist zeitunabhängig) Schrödinger-Gleichung separat lösen.
Die Lösung dieser Gleichung ist
Da die Lösung für endlich sein muss gilt und wir erhalten
Die Lösung dieser Gleichung ist
Aus den Stetigkeitsbedingungen für die Wellenfunktion und deren Ableitung nach an den Stellen ergeben sich die folgenden Gleichungen zur Bestimmung der Amplituden und Energiewerte
In Matrixschreibweise lautet dieses Gleichungssystem
Elementare Zeilenumformungen für lineare Gleichungssysteme liefern
Nichttriviale Lösungen ergeben sich für det = 0. Daraus ergibt sich
Wir unterscheiden hier zwei Fälle
die symmetrischen () und antisymmetrischen () Wellenfunktionen entsprechen. Wir berechnen separat die Amplituden der Wellenfunktionen in den drei Regionen und die sich daraus ergebenden möglichen Energiewerte.
Wir setzen und bestimmen mit (9.142) schrittweise die weiteren Amplituden. Für erhalten wir mit (9.144)
Wir erhalten also für den ersten Fall für den Bereich II antisymmetrische Wellenfunktionen. Daher nennen wir diesen Fall antisymmetrisch. Für und ergibt sich
Die Wellenfunktionen für die drei Bereiche I, II und III nehmen dementsprechend die folgende Form an
Die verbleibende Unbekannte erhalten wir aus der Normierungsbedingung. Es gilt
Daraus ergibt sich für die Konstante
Damit ist die Wellenfunktion für das Teilchen im endlichen Potentialtopf im antisymmetrischen Fall bestimmt.
Es bleibt noch die Frage zu klären, welche Energiewerte für das Teilchen erlaubt sind. Wir formen dazu die Gleichung (9.144) um, sodass wir eine transzendente Gleichung erhalten, die wir graphisch lösen können. In einem ersten Schritt ersetzen wir und in (9.144) durch die Ausdrücke in (9.133) und (9.135). Wir erhalten somit
Wir schreiben nun auch die linke Seite der Gleichung als Summe von Real-und Imaginärteil
Gleichsetzen der Real- bzw. Imaginärteile ergibt folgendes Gleichungssystem
Wir benützen die Additionstheoreme und und erhalten
Division von (9.159) durch (9.158) ergibt
Wir führen nun die Konstante ein. Damit ergibt sich das folgende Resultat (siehe Gl. (9.135))
Dies ist die zu Beginn erwähnte transzendente Gleichung, die wir nun graphisch lösen. Dazu setzen wir und tragen die Funktionen und auf (siehe Abb. 9.6).
Die erlaubten Werte von ergeben sich aus den Schnittpunkten dieser beiden Kurven. Die Anzahl antisymmetrischer Lösungen hängt von ab. Dabei gilt folgende Gesetzmässigkeit: Wenn
dann besitzt (9.161) genau Lösungen. Insbesondere wird daraus ersichtlich, dass antisymmetrische Lösungen nur dann existieren, wenn , d.h. wenn gilt
Das Potential muss also einen minimalen Wert aufweisen. Die entsprechenden Energiewerte ergeben sich aus (siehe Gl. (9.135))
Da der symmetrische Fall analog zum antisymmetrische Fall gelöst wird, werden wir uns im Wesentlichen auf die Angabe der Resultate beschränken. Wir setzen wiederum und bestimmen mit (9.142) schrittweise die weiteren Amplituden. Für erhalten wir mit (9.145)
Wir erhalten also für den Bereich II symmetrische Wellenfunktionen. Daher nennen wir diesen Fall symmetrisch. Für und ergibt sich
Die Wellenfunktionen für die drei Bereiche I, II und III nehmen dementsprechend die folgende Form an
Die verbleibende Unbekannte erhalten wir aus der Normierungsbedingung. Analog zu den Berechnungen beim antisymmetrischen Fall ergibt sich für die Konstante
Damit ist die Wellenfunktion für das Teilchen im endlichen Potentialtopf auch im symmetrischen Fall bestimmt. Ebenfalls ergibt sich auf analoge Weise eine transzendente Gleichung zur Bestimmung der Energiewerte
Für die graphische Lösung setzen wir wiederum und tragen die Funktionen und auf (siehe Abb. 9.7).
Die erlaubten Werte von ergeben sich aus den Schnittpunkten dieser beiden Kurven. Die Anzahl symmetrischer Lösungen ist gegeben durch
wobei auf die nächsthöhere ganze Zahl rundet. Somit existiert für im Gegensatz zum antisymmetrischen Fall auf jeden Fall mindestens eine Lösung. Die entsprechenden Energiewerte ergeben sich wiederum aus (9.164).
Zum Abschluss formulieren wir einige Schlussfolgerungen und zusammenfassende Bemerkungen:
diskrete Zustände, die das Teilchen besetzen kann. rundet auf die nächstkleinere ganze Zahl ab. Zum Beispiel ergeben sich für ein Potential mit : 4 Zustände, 2 antisymmetrische und 2 symmetrische.
Wir betrachten ein Teilchen mit kinetischer Energie , welches auf eine Potentialbarriere der Höhe und der Breite trifft (siehe Abb. 9.9). Nach den Regeln der klassischen Physik kann das Teilchen die Barriere nicht überwinden. Quantenmechanisch kann ein Teilchen jedoch eine Potentialbarriere durchdringen und sich auf der anderen Seite der Barriere weiter fortbewegen. Auf diesen quantenmechanischen Effekt, den sogenannten Tunneleffekt, gehen wir in diesem Abschnitt genauer ein.
Der Tunneleffekt wurde in zahlreichen Experimenten verifiziert, z.B. beim radioaktiven Zerfall oder in elektronischen Tunneldioden. Der Tunneleffekt wird z.B. im Rastertunnelmikroskop (siehe Abschnitt 7.2.3), welches zur Abbildung der Oberfläche verwendet werden kann, auch technisch angewandt. Dessen Funktionsweise beruht darauf, dass es für Elektronen möglich ist die Potentialbarriere zwischen der abtastenden Spitze und der zu untersuchenden Oberfläche einer Probe zu überwinden.
Das Ziel der folgenden Rechnung ist es, die sogenannte Transmissionswahrscheinlichkeit, auch Transmissionskoeffizient genannt, eines Teilchens durch eine Potentialbarriere zu bestimmen. Die Definition lautet folgendermassen:
Definition 9.12 Die Transmissionswahrscheinlichkeit ist definiert als der transmittierte Teilchenfluss geteilt durch den einfallenden Teilchenfluss und ist damit ein Mass für die Stärke des Tunneleffekts
Der Teilchenfluss ist dabei gegeben durch
d.h. als Produkt von Wahrscheinlichkeitsdichte und Teilchengeschwindigkeit .
Wir beginnen unsere Berechnung, indem wir die x-Achse in drei Bereiche I, II und III unterteilen (siehe Abb. 9.9), für die wir die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung (Potential ist zeitunabhängig) separat lösen
Die Lösung für die drei Bereiche lassen sich analog zu den vorangegangenen Beispielen mit Hilfe eines Exponentialansatzes bestimmen. Wir verzichten daher auf eine Herleitung und geben direkt die Lösungen für die Wellenfunktionen , und in den drei Bereichen an
Es ist zu bemerken, dass im Bereich III aufgrund der betrachteten Situation (Teilchen kommt von links) nur eine rechtslaufende Welle existieren kann und daher ist. Die anderen Koeffizienten , , , und ergeben sich aus den Stetigkeitsbedingungen bei und für die Wellenfunktion und deren Ableitung nach . Bevor wir die Koeffizienten , , , und aus diesen Stetigkeitsbedingungen berechnen, gehen wir zurück zu unserem ursprünglichen Ziel, der Bestimmung der Transmissionswahrscheinlichkeit . Mit (9.180) und (9.182) ergibt sich nach Definition 9.12 der folgende Ausdruck
wobei den einfallenden Anteil der Wellenfunktion bezeichnet. Ausserdem haben wir im letzten Schritt verwendet, dass , da sich das Teilchen in beiden Regionen I und III im potentialfreien Raum bewegt und beim Tunnelprozess keine kinetische Energie verliert. Demzufolge genügt es das Verhältnis aus den Stetigkeitsbedingungen zu bestimmen. Diese sind gegeben durch
In Matrixschreibweise lautet dieses Gleichungssystem
Elementare Zeilenumformungen für lineare Gleichungssysteme liefern
Wir drücken nun mit (9.189) Schritt für Schritt die Koeffizienten , , und durch den Koeffizient aus, um dann schliesslich zum Verhältnis zu gelangen. Für den Koeffizient ergibt sich
Damit erhalten wir für den Koeffizient
Für den Koeffizient resultiert
Schlussendlich erhalten wir daraus für das Verhältnis
Wir vereinfachen diesen Ausdruck, indem wir folgende zwei Annahmen tätigen:
Mit diesen beiden Annahmen (9.194) und (9.195) vereinfacht sich der Ausdruck (9.193) für das Verhältnis folgendermassen
Einsetzen in (9.183) liefert für die Transmissionswahrscheinlichkeit
Mit den Ausdrücken und ergibt sich das folgende Schlussresultat
D.h. die Transmissionswahrscheinlichkeit zeigt eine starke exponentielle Ab-hängigkeit von Teilchenenergie und der Breite der Barriere .
Um nun eine Vorstellung über die Stärke des Tunneleffekts zu erhalten, betrachten wir das folgende Beispiel: Ein Elektron mit kinetischer Energie eV bewegt sich auf eine Potentialbarriere der Höhe eV und Breite nm zu. Wie gross ist die Transmissionswahrscheinlichkeit , d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass das Elektron die Barriere überwinden kann? Einsetzen der Werte in (9.198) liefert das folgende Ergebnis
Das bedeutet, dass selbst für leichte Teilchen und niedrige Barrieren die Transmissionswahrscheinlichkeit sehr klein ist. Dennoch ist der Tunneleffekt experimentell beobachtbar und findet, wie bereits zu Beginn des Abschnitts erwähnt, zum Beispiel beim Rastertunnelmikroskop5 (siehe Abschnitt 7.2.3) seine Anwendung.
Zum Abschluss dieses Abschnitts geben wir das Resultat einer Mathematica Berechnung für die Wellenfunktion (Realteil) und die entsprechende Wahrscheinlichkeitsdichte für die Zahlenwerte eV, eV und nm wider (siehe Abb. 9.10). Aus dieser graphischen Darstellung wird ersichtlich, dass die Wellenfunktion vor und nach der Potentialbarriere oszilliert und innerhalb der Barriere exponentiell abfällt. Die Wahrscheinlichkeitsdichte oszilliert ebenfalls vor der Potentialbarriere, da sich dort eine stehende Welle aus einfallender und reflektierter Materiewelle ausbildet. Innerhalb der Barriere fällt die Wahrscheinlichkeitsdichte exponentiell ab und hat nach der Barriere einen konstanten Wert, da sich das Teilchen dort als ebene Welle nur nach rechts ausbreitet.
Wie bereits zuvor diskutiert ergibt sich ein Wellenpaket als Superposition von vielen harmonischen Wellen mit verschiedenen Frequenzen und Wellenzahlen (siehe Abschnitt 6.4). Die verschiedenen Frequenzen entsprechen verschiedenen Energien .
Wir betrachten hier die Bewegung eines Gaussschen Wellenpakets durch einen Potentialtopf der Tiefe und durch eine Potentialbarriere der Höhe hindurch. Dieses Problem lässt sich durch Lösung der zeitabhängigen Schröd-inger-Gleichung (9.94) bearbeiten. Die Berechnung eines solchen Problems lässt sich nur schwierig von Hand bewältigen. Wir geben hier das Resultat einer Computerberechnung wieder, welche von Abraham Goldberg und seinen Mitarbeitern im Jahr 1967 [12] durchgeführt wurde. Diese zeigen, dass sich das Wellenpaket am Potentialtopf und an der Barriere, für den Fall dass die Teilchenenergie sehr viel grösser ist als die Topftiefe oder die Barrierenhöhe , im Wesentlichen wie ein klassisches Teilchen verhält. Das Teilchen überwindet die durch die Barriere oder den Topf dargestellte Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit und wird nur mit einer niedrigen Wahrscheinlichkeit reflektiert. Für wird das Teilchen sowohl vom Topf als auch von der Barriere reflektiert. Für die Barriere entspricht dies angenähert ebenfalls den klassischen Vorstellungen. Drastische Abweichung vom klassischen Verhalten kommen jedoch zum Vorschein, wenn die Teilchenenergie von ähnlicher Grösse ist wie die Barrierenhöhe oder die Topftiefe (siehe Abb. 9.11). Vergleiche dazu die Ausführungen zum Tunneleffekt im vorangegangenen Abschnitt.
Wir illustrieren zunächst die Bedeutung von scharfen bzw. unscharfen Observablen anhand von einigen Beispielen und geben anschliessend die genaue mathematische Definition. Bei den Beispielen beziehen wir uns auf die Heisenbergsche Unschärferelation (siehe Abschnitt 9.2).
Bei der Bewegung eines Teilchens (Massepunkt) in einem zeitunabhängigen Potential bleibt die Gesamtenergie konstant. Zur Messung der Energie steht damit eine beliebig lange Zeitspanne zur Verfügung. Da , also endlich ist, kann die Unschärfe einer Messung der Energie beliebig klein werden. Man sagt in diesem Fall: Die Energie hat den scharfen Wert .
Zum Beispiel haben wir beim Teilchen im Potentialtopf gesehen (siehe Abschnitte 9.1.1 und 9.4.2), dass die Energie verschiedene scharfe und diskrete Werte annehmen kann, welche durch die Quantenzahl charakterisiert sind.
Bei genauerer Betrachtung findet man jedoch, dass die Schärfe der Differenz zweier Energien eines quantenmechanischen Systems immer durch die Lebensdauer der mit dem Übergang verknüpften Zustände begrenzt ist. Diese Zustände können, wie wir bereits kennengelernt haben, im Prozess der spontanen Emission, hervorgerufen durch die Wechselwirkung mit den Vakuumfluktuationen des elektromagnetischen Feldes, auf einer durch die Einstein-Koeffizienten bestimmten Zeitskala zerfallen.
Nach Abschnitt 9.4.2 ist die Lösung der Schrödinger-Gleichung für ein Teilchen im räumlich und zeitlich konstanten Potential eine ebene, harmonische Welle
Da der Zustand stationär ist, ist die Energie scharf. Im Gegensatz zum Teilchen im Potentialtopf sind die Werte, die sie annehmen kann, jedoch beliebig und nicht diskret.
Die Wahrscheinlichkeitsdichte ist räumlich (und zeitlich) konstant. D.h. der genaue Aufenthaltsort des Teilchens ist unbestimmt oder mit anderen Worten, die Unschärfe des Ortes ist unendlich. Da endlich ist, verschwindet die Unschärfe des Impulses . D.h. neben der Energie nimmt auch der Impuls einen scharfen Wert an. Auch beim Impuls sind die Werte beliebig und nicht diskret.
Im Gegensatz zu diesen Beispielen haben wir bei der Beugung am Spalt (siehe Abschnitt 9.2.1) und beim Gaussschen Wellenpaket (siehe Abschnitt 9.2.2) gesehen, dass sowohl der Ort als auch der Impuls unscharfe Werte annehmen. Dabei sind die Unschärfen und von Ort und Impuls durch die Heisenbergsche Unschärferelation miteinander verknüpft.
Diesen Beispielen folgend geben wir nun eine mathematische Definition an, unter welchen Bedingungen der Erwartungswert einer Observablen scharf bestimmt ist.
Definition 9.13 Für ein Teilchen im Zustand ist der Erwartungswert einer Observablen scharf bestimmt, wenn bei wiederholter Messung an identisch gleich präparierten Teilchen immer der selbe Wert resultiert. Mathematisch bedeutet das, dass die Unschärfe verschwinden muss
Der Index soll daran erinnern, dass diese Beziehung für ein Teilchen im Zustand gilt, denn es hängt vom Zustand ab, ob der Erwartungswert einer Observable einen scharfen Wert annimmt oder nicht.
Wir werden nun zeigen, dass sich mit Hilfe des Operatorformalismusses eine einfache Bedingung angeben lässt, die erfüllt sein muss, damit der Erwartungswert einer Observable im Zustand einen scharfen Wert besitzt. Wir betrachten diese Observable als Funktion oder allgemeiner als Funktion der verallgemeinerten Koordinaten und der dazu kanonisch konjugierten Impulse . Wir betrachten hier stationäre (zeitunabhängige) Zustände und interpretieren die Bildung der Erwartungswerte als Mittelung vieler Messungen an identischen, gleich präparierten Teilchen.
Satz 9.1 Sei der Zustand jedes betrachteten Teilchens beschrieben durch die Wellenfunktion im Ortsraum, dann gilt: Der Erwartungswert einer Observable nimmt genau dann den scharfen Wert an, wenn die Wellenfunktion die folgende Gleichung erfüllt
Die Gleichung (9.202) wird als Eigenwertgleichung bezeichnet. Sie besagt, dass sich die Wellenfunktion bis auf den Faktor reproduziert, wenn man den Operator auf sie anwendet. Eine Wellenfunktion , die (9.202) erfüllt, ist eine Eigenfunktion des Operators . Der scharfe Wert , den der Erwartungswert annimmt, wird Eigenwert des Operators genannt.
In der Impulsraumdarstellung gilt ein entsprechender Satz für die Wellenfunktion
. Es ist zu beachten, dass der Operator in dieser Darstellung eine andere
Form besitzt als in der Ortsraumdarstellung.
Beweis des Satzes:
Nach Definition 9.13 für den scharfen Wert des Erwartungswerts einer Observable ist folgende Äquivalenz zu zeigen
wobei . Wir betrachten die beiden Richtungen einzeln.
„“
Mit Hilfe der Eigenwertgleichung (9.202) folgt für den Erwartungswert
Für den Erwartungswert von ergibt sich
Somit erhalten wir für die Unschärfe von
„“
Aus folgt mit der Eigenschaft, dass in der Quantenmechanik die Operatoren hermitesch sind
Dieses Integral verschwindet nur dann, wenn gilt
d.h. wenn folgende Gleichung erfüllt ist
Wir fassen diesen Abschnitt zusammen:
Genau dann wenn bei wiederholter Messung der Observablen an identischen, im selben Zustand präparierten Teilchen, immer der selbe Wert gemessen wird, ist eine Eigenfunktion des Operators zum Eigenwert . Man sagt dann, das Teilchen befindet sich in einem Eigenzustand des Operators der zum Eigenwert gehört.
Wir betrachten hier verschiedene Operatoren, die wir in Abschnitt 9.3.2 kennengelernt haben und bestimmen ihre Eigenfunktionen und Eigenwerte.
Wir betrachten ein Teilchen, das sich in einem zeitunabhängigen Potential bewegt. Seine Gesamtenergie ist dann konstant und damit scharf messbar, wenn sich das Teilchen in einem Eigenzustand des Operators befindet. Nach Abschnitt 9.5.1 ist somit ein Eigenwert des Hamilton-Operators . Die Eigenwertgleichung lautet
Andererseits gilt die Schrödinger-Gleichung
Aus (9.210) und (9.211) folgt die Gleichung
mit der allgemeinen Lösung
Andererseits kann die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung (9.109) als Eigenwertgleichung aufgefasst werden, indem wir schreiben
Wir halten fest
Das Teilchen im Potentialtopf (siehe Abschnitte 9.1.1 und 9.4.2) ist ein instruktives Beispiel für das Auftreten diskreter Energiewerte . Zu jedem Eigenwert des Hamilton-Operators gehört eine Eigenfunktion bzw. .
Wir betrachten einfachheitshalber ein eindimensionales System. Die Eigenwertgleichung lautet
mit der allgemeinen Lösung
wobei als Amplitude aufzufassen ist. Diese Funktion ist räumlich periodisch und stellt ein Teilchen dar, das einen scharf bestimmten Impuls hat, dessen Position aber völlig unbestimmt ist. Damit ist die Unschärfe des Ortes unendlich gross. Dies ist im Einklang mit der Heisenbergschen Unschärferelation (9.37).
Wir beschränken uns wiederum auf eine Dimension und betrachten zusätzlich ein zeitunabhängiges Problem. Die Eigenwertgleichung nimmt dann folgende Form an
Der Ortsoperator in der Ortsraumdarstellung entspricht dem Faktor . Demzufolge können wir schreiben
Nach dieser Gleichung muss verschwinden für alle . Bei ist unendlich und zwar so, dass
D.h. entspricht einer sogenannten Diracschen Deltafunktion
Eine solche Deltafunktion kann man angenähert als beliebig schmales Gausssches Wellenpaket beschreiben
Der Zustand eines Teilchens im dreidimensionalen Raum sei in Kugelkoordinaten ausgedrückt . Wir betrachten hier wiederum ein zeitunabhängiges Problem. Somit lautet die Eigenwertgleichung für den Operator
Mit (9.68) ergibt sich
Die allgemeine Lösung dieser Gleichung ist
Das erste Postulat (siehe Abschnitt 9.1) verlangt, dass die Wellenfunktion eindeutig sein muss. Daraus ergibt sich für die Wellenfunktion folgende notwendige Bedingung
D.h. es muss gelten
Diese Gleichung ist erfüllt, wenn
Damit ergibt sich
Die Eigenwerte des Operators sind ganzzahlige Vielfache von
Zu jedem Eigenwert (zu jeder Quantenzahl) gehört eine Eigenfunktion
Aus diesen Betrachtungen ergibt sich, dass die z-Komponente des Bahndrehimpulses - wenn sie einen scharfen Wert besitzt - nur die diskreten Werte annehmen kann. Dies gilt nur für eine ausgezeichnete Richtung des Raumes, in diesem Fall die z-Richtung. Entlang der beiden dazu orthogonalen Raumrichtungen, und , ist der Bahndrehimpuls unscharf. Diese Tatsache werden wir in einem späteren Kapitel noch genauer diskutieren.
Das dritte Postulat der Quantenmechanik lautet:
Postulat 3 Das Ergebnis einer einzelnen Messung einer Observablen ist ein Eigenwert des zugehörigen Operators . Erhält man bei einer Messung den Eigenwert , so geht die Wellenfunktion in die entsprechende Eigenfunktion über. D.h. befindet sich das System vor der Messung einer Observablen nicht in einem Eigenzustand des entsprechenden Operators , so ändert die Messung den Zustand des System, sodass sich das System nach der Messung in einem Eigenzustand des Operators befindet. Hingegen bleibt der Zustand des Systems unverändert, wenn dieser bereits vor der Messung der Observablen einem Eigenzustand des entsprechenden Operators entspricht.
Wir illustrieren Postulat 3 am Beispiel des Bahndrehimpulses aus dem vorangegangenen Abschnitt. Wir betrachten die Messung der Komponente des Bahndrehimpulses eines Teilchens längs einer vorgegebenen Achse. Eine solche ausgezeichnete Achse kann zum Beispiel durch die Richtung eines angelegten homogenen Magnetfeldes vorgegeben sein, eine Situation die wir im Kontext des Zeeman-Effekts noch genauer diskutieren werden. Es ist in der Quantenmechanik üblich, diese Achse, längs der die Komponente des Bahndrehimpulses gemessen wird, als z-Achse zu bezeichnen.
Als Ergebnis einer solchen Messung der z-Komponente des Bahndrehimpulses ergeben sich nach Postulat 3 und Abschnitt 9.5.2 nur die diskreten Werte , d.h. die Eigenwerte des entsprechenden Operators . Führt man diese Messung nun an gleich präparierten Teilchen durch und misst jedes Mal den selben Wert (Eigenwert) , dann war der Zustand der Teilchen vor der Messung ein Eigenzustand von und der Zustand der Teilchen wird durch die Messung nicht verändert. Misst man hingegen an gleich präparierten Teilchen verschiedene Werte (Eigenwerte) , dann war der Zustand der Teilchen vor der Messung kein Eigenzustand von . Nach der Messung befinden sich in diesem Fall die Teilchen in verschiedenen Eigenzuständen von zu den entsprechenden Eigenwerten (Messresultaten) .
Nach Satz 9.1 nimmt der Erwartungswert einer Observable den scharfen Wert an, wenn der Zustand des Teilchens die Eigenwertgleichung
erfüllt. Es stellt sich nun die Frage, ob Zustände existieren, für die die Erwartungswerte von zwei Observablen gleichzeitig scharf sind. Diese Frage ist mit „ja“ zu beantworten, wie das folgende Beispiel zeigt.
Die Wellenfunktion
stellt ein Teilchen dar, das sich im zeitlich und räumlich konstanten Potential längs der x-Achse bewegt. Nach Abschnitt 9.5.1 sind die Energie und auch der Impuls gleichzeitig scharf. Dies lässt sich nochmals verdeutlichen, indem wir die Wellenfunktion als Produkt schreiben
Daraus wird ersichtlich, dass es sich um eine simultane Eigenfunktion der Operatoren und handelt. Denn eine Eigenfunktion von hat nach (9.216) die allgemeine Form
und eine Eigenfunktion von hat nach (9.213) die allgemeine Form
Das Ziel ist es nun ein allgemeines Kriterium zu formulieren, welches angibt, ob zwei Observable gleichzeitig scharf messbar sind. Im Zusammenhang mit der Erklärung der Bedeutung des Kommutators (siehe Abschnitt 9.3.3) haben wir diese Frage schon einmal gestreift, indem wir gesagt haben, dass die Erwartungswerte nicht kommutierender Operatoren gleichzeitig nicht mit beliebiger Genauigkeit bestimmt werden können. Wie angekündigt wollen wir nun diese Aussage präziser formulieren und beweisen. Es gilt der folgende Satz:
Satz 9.2 Die Erwartungswerte von zwei Observablen und eines Teilchens im Zustand sind dann und nur dann gleichzeitig scharf, wenn die Anwendung des Kommutators der entsprechenden Operatoren und auf die Wellenfunktion null ergibt
Beweis:
Wir betrachten die beiden Richtungen einzeln.
„“
Wenn und gleichzeitig scharf sind, dann gelten nach Satz 9.1 die Eigenwertgleichungen
Damit ergibt sich
„“
Zu zeigen ist, dass wenn die Anwendung des Kommutators auf die Wellenfunktion null ergibt, eine Eigenfunktion von und ist.6
Es sei (ohne Beschränkung der Allgemeinheit) eine Eigenfunktion von , dann gilt
Da gilt
Mit (9.239) erhalten wir
Da die einzige Eigenfunktion von zum Eigenwert ist, muss proportional zu sein. Wir bezeichnen die Proportionalitätskonstante mit und erhalten
d.h. ist gleichzeitig auch eine Eigenfunktion von . Für den Beweis des entarteten Falls verweisen wir auf weiterführende Literatur [11].
Die allgemeine mathematische Definition für die Orthogonalität zweier Funktionen lautet:
Zum Beispiel sind die Funktionen und bei ganzzahligen und im Variablenbereich orthogonal für , denn es gilt
Die gleiche Orthogonalitätsbedingung erfüllen auch die Funktionen und . Es sind genau diese Orthogonalitätseigenschaften, die die Fourier-Entwicklung ermöglichen.
Für die Wellenfunktionen gilt der folgende Satz:
Satz 9.3 Es seien und Eigenfunktionen des hermiteschen Operators , die zu verschiedenen Eigenwerten und gehören. Dann sind und orthogonal in ihrem räumlichen Existenzgebiet, d.h.
Beweis:
Wir beweisen nun in einem ersten Schritt, dass dann auch gilt
Es sei , wobei beliebig. Für diese Wellenfunktion gilt nach (9.247)
Ausmultiplizieren liefert
Indem wir wiederum die Bedingung (9.247) für hermitesche Operatoren ausnützen, lassen sich einige Terme wegkürzen und wir erhalten
Mit den Bezeichnungen und können wir (9.251) schreiben
Für dürfen wir einen beliebigen Wert annehmen. Wir wählen einmal und einmal und erhalten damit die Gleichungen und mit der Lösung und , d.h.
Jede dieser Gleichungen ist äquivalent zu (9.248), womit die Richtigkeit von (9.248) bewiesen ist.
Einsetzen in (9.248) liefert
d.h. für gilt
Wir illustrieren Satz 9.3 an zwei bekannten Beispielen:
Die Orthogonalität der Eigenfunktionen des Hamilton-Operators für ein Teilchen im (unendlichen) Potentialtopf ist für und offensichtlich. Wir zeigen nun, dass die Orthogonalitätsbedingung auch für erfüllt ist. Nach Abschnitt 9.4.2 nehmen die Eigenfunktionen folgende Form an
Damit ergibt sich
Das Integral über die ersten beiden Summanden verschwindet. Für das Integral über die letzten beiden Summanden müssen wir eine Fallunterscheidung machen. Wir erhalten
Nach Abschnitt 9.5.2 haben die Eigenfunktionen des Bahndrehimpulsoperators folgende Form
wobei zu jedem ein Eigenwert gehört. Dies ist eine Produktwellenfunktion, bei der die Variable von den Variablen und separiert ist. Sowohl das System der Funktionen , als auch das System der Funktionen muss Orthogonalitätseigenschaften haben. Näheres folgt im Kapitel 11 über das Wasserstoffatom. Die Funktionen hängen vom betrachteten System ab. Für das System der Funktionen lässt sich die Orthogonalitätseigenschaft leicht überprüfen
Häufig gehören zu einem Eigenwert eines Operators mehrere verschiedene Eigenfunktionen. In diesem Fall spricht man von Entartung.
Zum Beispiel sind die Eigenfunktionen des Hamilton-Operators eines in einem Würfel eingesperrten Teilchens entartet
mit den Eigenwerten
Entartet sind dabei sicher alle Energieniveaus bei denen mindestens zwei der Quantenzahlen , und nicht verschieden sind. Aus dem Beweis des Satzes 9.3 geht hervor, dass zwei verschiedene Eigenfunktionen, die zum selben Eigenwert gehören nicht notwendigerweise orthogonal sind. Deshalb ist Satz 9.3 im Fall der Entartung mit Vorsicht anzuwenden. Wir werden auf diese Thematik der Entartung im nächsten Abschnitt nochmals genauer eingehen.
Für Eigenfunktionen zum selben Eigenwert, d.h. im Fall der Entartung, gilt der folgende Satz:
Satz 9.4 Eine Linearkombination von Eigenfunktionen des Operators zum selben Eigenwert ist wieder eine Eigenfunktion des Operators zum selben Eigenwert .
Beweis:
Seien , = 1, 2, ..., , Eigenfunktionen des Operators zum selben Eigenwert , dann gilt
Für eine Linearkombination dieser Eigenfunktionen , erhalten wir
Im letzten Abschnitt haben wir gesehen, dass Eigenfunktionen zum selben Eigenwert nicht notwendigerweise orthogonal sind. Im Allgemeinen ist es jedoch sehr hilfreich mit orthogonalen Eigenfunktionen rechnen zu können. Nach Satz 9.4 ist es nun möglich aus Eigenfunktionen , = 1, 2, ..., , zum selben Eigenwert eines Operators neue Eigenfunktionen , = 1, 2, ..., , zum selben Eigenwert zu bilden, welche orthogonal sind. Eine Methode, die es ermöglicht aus ursprünglich nicht orthogonalen (normierten) Eigenfunktionen , = 1, 2, ..., , orthogonale (normierte) Eigenfunktionen , = 1, 2, ..., , zu gewinnen, ist das sogenannte Gram-Schmidtsche Orthogonalisierungsverfahren. Die neuen orthogonalen (normierten) Eigenfunktionen , = 1, 2, ..., , ergeben sich dabei folgendermassen (für einen Beweis verweisen wir auf Anhang C)
Nachdem wir nun Linearkombinationen von Eigenfunktionen, die zum selben Eigenwert gehören, betrachtet haben, kommen wir nun zu Linearkombinationen von Eigenfunktionen zu unterschiedlichen Eigenwerten. Genauer gesagt, gehen wir der Frage nach, welche physikalische Bedeutung ein Zustand hat, der eine Linearkombination von Eigenfunktionen des Operators zu verschiedenen Eigenwerten ist.
Wir starten als Beispiel mit den Eigenfunktionen des Hamilton-Operators für ein Teilchen im Potentialtopf. Nach Abschnitt 9.4.2 lauten die Eigenfunktionen
wobei
Wir bilden nun eine Linearkombination der Wellenfunktionen
Jeder Summand von (9.274) ist eine Lösung der zeitabhängigen Schrödinger-Gleichung (9.94). Dementsprechend ist nach dem Superpositionsprinzip (siehe Abschnitt 9.4.1) auch die Linearkombination eine Lösung und stellt damit einen Zustand dar, in dem sich das System befinden kann. Jedoch ist dieser Zustand nicht stationär, denn ist zeitabhängig, da sich die Eigenwerte nach Voraussetzung unterscheiden.
Wir kommen zu einer allgemeinen Betrachtung. Es sei eine beliebige Observable und die Funktionen , , ..., orthogonale Eigenfunktionen des entsprechenden Operators , die zu den Eigenwerten , , ..., gehören, sodass die Eigenwertgleichungen , = 1, 2, ..., , gelten. Wir betrachten eine beliebige Linearkombination der Eigenfunktionen
und bestimmen den Erwartungswert der Observablen , wenn sich das Teilchen im Zustand befindet. Es ergibt sich
wobei wir im letzten Schritt die Normierung und die Orthogonalität der Eigenfunktionen , = 1, 2, ..., , benützt haben. Dieser Ausdruck führt zur folgenden Interpretation (siehe Postulat 3):
Wenn sich ein Teilchen im Zustand befindet, der eine Linearkombination der orthogonalen Eigenfunktionen des Operators mit den Eigenwerten ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit , dass eine Messung der Observablen den Wert liefert, gegeben durch .
Diese Interpretation gilt auch bei Entartung, vorausgesetzt, dass die zu einem entarteten Eigenwert gehörenden Eigenfunktionen orthogonal sind. Die Konstruktion solcher orthogonaler Eigenfunktionen haben wir zu Beginn des Abschnitts skizziert (Gram-Schmidtsches Orthogonalisierungsverfahren).
Die Fourier-Reihe ist die Entwicklung einer periodischen Funktion nach einem speziellen orthogonalen Funktionensystem. Das analoge gilt für die Eigenfunktionen eines hermiteschen Operators:
Satz 9.5 Die Eigenfunktionen eines hermiteschen Operators bilden auch ein orthogonales Funktionensystem. Erfüllt dieses System die Vollständigkeitsrelation
so lässt sich jeder Zustand , in welchem sich das betrachtete quantenmechanische System befinden kann, als Linearkombination dieser Eigenfunktionen schreiben. Man spricht dann von einer Entwicklung der Wellenfunktion nach den Eigenfunktionen des Operators .
Beweis:
Es seien Eigenfunktionen des Operators , welche die Vollständigkeitsrelation (9.277) erfüllen, dann gilt für einen beliebigen Zustand des betrachteten quantenmechanischen Systems
Als Illustration von Satz 9.5 ist im Anhang D die Entwicklung einer Dreiecksfunktion nach den Eigenfunktionen des Hamiltonoperators des Teilchens im Potentialtopf ausgeführt.
Zusammen mit der Interpretation aus dem letzten Abschnitt 9.5.6, lässt sich nun Postulat 3 folgendermassen präzisieren:
Das Ergebnis einer einzelnen Messung einer Observablen ist ein Eigenwert des zugehörigen Operators . Erhält man bei einer Messung den Eigenwert , so geht die Wellenfunktion in die entsprechende Eigenfunktion über. D.h. befindet sich das System vor der Messung einer Observablen nicht in einem Eigenzustand des entsprechenden Operators , so ändert die Messung den Zustand des System, sodass sich das System nach der Messung in einem Eigenzustand des Operators befindet. Die Wahrscheinlichkeit , welches Messresultat resultiert und damit welcher Eigenzustand das System nach der Messung einnimmt, ist bestimmt durch den Betrag der Koeffizienten der Entwicklung des Zustands vor der Messung nach den Eigenfunktionen des Operators . Hingegen bleibt der Zustand des Systems unverändert, wenn dieser bereits vor der Messung der Observablen einem Eigenzustand des entsprechenden Operators entspricht.
Der Formalismus, der hier am Beispiel der Bewegung eines einzelnen Teilchens (Massenpunkt) entwickelt wurde, gilt auch für Systeme mit beliebig vielen Freiheitsgraden. An die Stelle von und können auch die kanonisch konjugierten Variablen und treten. Ausser Ort und Impuls eines Teilchens können Paare von konjugierten Variablen auch andere physikalische Grössen beschreiben, wie zum Beispiel elektrische Ladung und magnetischer Fluss oder Teilchenzahl und Phase. Der Formalismus der Quantenmechanik gilt also sehr allgemein im Konfigurationsraum eines physikalischen Systems.
Diese Gleichung wird nach Schrödinger die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung genannt.
Mit Hilfe des Operatorformalismusses lässt sich eine einfache Bedingung angeben, wann der Erwartungswert einer Observable im Zustand einen scharfen Wert besitzt: Sei der Zustand jedes betrachteten Teilchens beschrieben durch die Wellenfunktion im Ortsraum, dann gilt: Der Erwartungswert einer Observable nimmt genau dann den scharfen Wert an, wenn die Wellenfunktion die Gleichung erfüllt. Diese Gleichung wird als Eigenwertgleichung bezeichnet. Sie besagt, dass sich die Wellenfunktion bis auf den Faktor reproduziert, wenn man den Operator auf sie anwendet. Eine Wellenfunktion , die diese Gleichung erfüllt, ist eine Eigenfunktion des Operators . Der scharfe Wert , den der Erwartungswert annimmt, wird Eigenwert des Operators genannt.