Das Wort Atom kommt aus dem Griechischen und bedeutet unteilbar. Als Atom wird
dementsprechend der kleinste unveränderliche Bestandteil eines chemischen Elements
bezeichnet. In diesem Kapitel untersuchen wir charakteristische Eigenschaften, wie
Masse und Grösse, von Atomen, betrachten die Kategorisierung der Atome im
Rahmen des Periodensystems der Elemente, beleuchten die Untersuchungsmethode
Massenspektroskopie und lernen das Rutherfordsche Atommodell kennen, welches
Ernest Rutherford aufgrund seiner Streuversuche von -Teilchen an Atomen
formulierte. Es dient insbesondere als Grundlage für das Bohrsche-Atommodell, das
wir in Kapitel 8 besprechen werden.
Atommassen werden in sogenannten relativen Atommassen angegeben.
Experimentell hat man festgestellt, dass alle Atome eine Masse haben, die
ungefähr einem Vielfachen der Masse des Wasserstoffatoms entspricht. Deshalb
wurde eine atomare Masseneinheit 1 u eingeführt, welche ungefähr der Masse
eines Wasserstoffatoms entspricht. Dementsprechend wären zum Beispiel die
relativen Atommassen
für Stickstoff (
) und Sauerstoff (
) gegeben
durch
Ab 1961 verwendete man aus experimentellen Gründen (präzisere Messungen von Atommassen) eine neue Definition der atomaren Masseneinheit
wobei 12 die Massenzahl und 6 die Kernladungszahl
bezeichnen. Auf die
Bedeutung von Massenzahl
und Kernladungszahl
wird in Abschnitt 7.3
näher eingegangen.
Den Zusammenhang zwischen den relativen und den absoluten Atommassen ergibt
sich aus dem Begriff des Mols. 1 mol ist die Stoffmenge, welche so viel Gramm wiegt,
wie das relative Atomgewicht angibt. Demzufolge ergibt sich zum Beispiel für
die Masse von 1 mol Kohlenstoff
C 12 g. Nach Lorenzo Avogadro ist die Zahl der
Atome oder Moleküle einer Substanz, welche in 1 mol enthalten sind immer gleich.
Die Zahl wird mit
bezeichnet und heisst Avogadro-Konstante. Entsprechend der
Definition für die atomare Masseneinheit 1 u, wird die Avogadro-Konstante
als die Anzahl Kohlenstoffatome in 12 g
C definiert. Sie ist gegeben
durch
Damit ergibt sich für die absolute Atommasse einer Substanz
Wir gehen nun kurz auf einige experimentelle Methoden zur Bestimmung der Avogadro-Konstante ein:
Bei der Elektrolyse wird ein Strom durch eine Flüssigkeit geleitet. Dazu werden
zwei Elektroden (Kathode und Anode) in die Flüssigkeit eingeführt. Aufgrund
des Stroms wird an den Elektroden eine Stoffmenge abgelagert, welche
proportional zur Ladung ist, die in derselben Zeit durch die Flüssigkeit
geflossen ist. Aufgrund dieses Gesetzes (Faraday-Gesetz) lässt sich aus einer
Messung der abgeschiedenen Masse , der Stromstärke
und der Zeit
die Avogadro-Konstante
bestimmen. Für eine einwertige Substanz gilt die
Formel
Zwischen der Gaskonstante , der Boltzmann-Konstante
und der
Avo-gadro-Konstante
gilt der folgende Zusammenhang
Demzufolge lässt sich die Avogadro-Konstante aus der Gas- und
Boltz-mann-Konstante bestimmen.
Wie in Abschnitt 3.4.2 besprochen, lässt sich mittels Röntgen-Licht bekannter
Wellenlänge die Gitterkonstante bzw. das Volumen
eines Atoms
bestimmen. Die Avogadro-Konstante
ergibt sich dann aus folgender
Formel
wobei die Molmasse (entspricht bei Atomen dem relativen Atomgewicht
) und
die Dichte bezeichnet.
Für die Bestimmung der Grösse von Atomen gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Weit verbreitet sind Streuexperimente, auf die wir als erstes näher eingehen werden.
Bei einem typischen Streuexperiment (siehe Abb. 7.1) trifft ein Teilchenstrahl (aus
Atomen oder Molekülen) mit Dichte , Strahlquerschnittsfläche
und
Teilchenradius
auf eine dünne Schicht der Dicke
von Atomen mit Radius
und Dichte
. Die Frage die nun untersucht wird ist: Wie viele Teilchen aus dem
Strahl stossen mit Atomen aus der dünnen Schicht zusammen? Oder in anderen
Worten: Welcher Anteil der Teilchen aus dem einfallenden Strahl kann die Schicht
nicht ungestört passieren?
Um diese Frage zu beantworten, führen wir eine neue Grösse ein, den
Wirkungsquerschnitt. Der Wirkungsquerschnitt ist eine Fläche, welche
folgendermassen definiert ist: Begegnen sich einfallendes und ruhendes Teilchen
innerhalb der Fläche
, so kommt es zum Zusammenstoss (zu einer Wechselwirkung),
ansonsten nicht. Daher ist in unserem Fall der Wirkungsquerschnitt
gegeben
durch (siehe Abb. 7.2)
Mit Hilfe des Wirkungsquerschnitts können wir nun die Wahrscheinlichkeit
angeben, mit der ein einfallendes Teilchen innerhalb der Schicht einen Stoss erfährt.
Sie ist gegeben durch die Anzahl der Fälle in denen ein Stoss auftritt geteilt durch
die Gesamtzahl der Fälle
Dabei nehmen wir an, dass die Querschnittsflächen der Teilchen im durchschossenen Volumen nicht überlappen. Dies ist erfüllt, wenn die Dichte im betrachteten Volumen ausreichend gering ist.
Wir gehen einen Schritt weiter indem wir eine Schicht der Länge (in
Strahlrichtung) betrachten und die Anzahl der transmittierten Teilchen des
einfallenden Teilchenstrahls bestimmen. Dabei gehen wir von der zuvor betrachteten
Situation aus und zerlegen das Volumen in dünne Schichten der Dicke
. Treten in
eine solche dünne Schicht
Teilchen ein, so erleidet ein Bruchteil
einen Stoss und wird abgelenkt. Somit erhalten wir mit (7.10) für den Anteil der in
der Schicht
gestreuten Teilchen
Den Anteil der transmittierten Atome auf der gesamten Länge erhalten wir durch
Integration
Für die Zahl der transmittierten Teilchen ergibt sich
und für die Zahl der abgelenkten Teilchen erhalten wir
Das Produkt wird dabei als makroskopischer Streukoeffizient bezeichnet.
Um nun die Grösse eines Atoms zu bestimmen, geht man folgendermassen vor:
Atomgrössen werden experimentell oft nicht mittels dem Wirkungsquerschnitt
sondern mittels der mittleren freien Weglänge
bestimmt. Diese ist
folgendermassen definiert:
ist die Strecke, nach der nur noch ein Anteil von
(
) der eintreffenden Teilchen
nicht gestreut worden sind, d.h. es
gilt
Daraus ergibt sich für die mittlere freie Weglänge der folgende Ausdruck
Unter der Annahme von erhalten wir
Würde man auch die Bewegung der gestossenen Teilchen, die wir bis jetzt vernachlässigt haben, berücksichtigen, so ändert sich die Form dieses Ausdrucks folgendermassen
Betrachtet man anstelle von Teilchen Licht, so gilt für dessen Intensität nach dem
Durchgang durch eine absorbierende Schicht der Dicke
Dieses Gesetz wird Beersches Gesetz genannt. Dabei entspricht der
durchgehenden Lichtintensität,
der einfallenden Lichtintensität und
der
Absorptionskonstante der absorbierenden Schicht.
Ein reales Gas kann näherungsweise mit der Van der Waals-Gleichung1 beschrieben werden
wobei der Druck,
das Volumen,
die Gaskonstante,
die
Temperatur und
und
zwei Konstanten sind, welche folgende Bedeutung
haben: Aufgrund der kurzreichweitigen Abstossung zwischen den Atomen in
einem Gas steht dem Gas nur das reduzierte Volumen
zur Verfügung
und wegen der langreichweitigen Abstossung ergibt sich ein zusätzlicher Druck
. Die Konstante
lässt sich näherungsweise aus dem
-Diagramm
bestimmen und entspricht dem vierfachen Wert des Volumens aller Atome in 1
mol
wobei die Avogadro-Konstante ist. Daraus lässt sich das Atomvolumen
bzw. den Atomradius bestimmen.
Der zweiten Methode sind wir schon ein paar Mal begegnet. Wie in Abschnitt 3.4.2 besprochen, lässt sich die Gitterkonstante - und damit auch eine Abschätzung der Atomgrösse - aus der Röntgen-Beugung (Bragg-Reflexion) gewinnen. Drei praktische Verfahren sind:
Bei der Besprechung einiger Abbildungstechniken soll die Frage im Zentrum
stehen, ob es möglich ist atomare Abmessungen aufzulösen, d.h. einzelne
Atome „zu sehen“. Der zentrale Begriff dabei ist das Auflösungsvermögen.
Darunter versteht man den kleinsten Abstand zwischen Strukturen, die
noch als getrennt abgebildet werden können. Bekannte Abbildungstechniken
sind:
In Tab. 7.1 sind die Auflösungsvermögen für die verschiedenen Abbildungstechniken
zusammengefasst.
Abbildungstechnik | Auflösungsvermögen ![]() |
Lichtmikroskop (sichtbares Licht) | ![]() |
Lichtmikroskop (Röntgen-Licht) | einige 10 |
Elektronenmikroskop | ![]() |
Rastertunnelmikroskop (STM) | ![]() |
Ionenfalle | ![]() |
Das Periodensystem der Elemente (siehe Abb. 7.3) wurde von den beiden Chemikern Dmitri Iwanowitsch Mendelejew und Lothar Meyer im Jahr 1869 unabhängig voneinander aufgestellt und ist eine Anordnung der Atome nach ihren chemischen und physikalischen Eigenschaften.
Das Periodensystem besteht aus acht vertikalen Gruppen mit Nebengruppen und sieben horizontalen Perioden. Diese Einteilung kommt aufgrund der chemischen und physikalischen Eigenschaften der Atome zustande. Sie spiegelt insbesondere den Aufbau der Atome und die dabei geltenden Gesetzmässigkeiten wider.
Die Atome werden mit einem Symbol abgekürzt, z.B. steht H für Wasserstoff, He für
Helium, ... . Die Reihenfolge und Nummerierung der Atome kommt folgendermassen
zustande: Wie wir in späteren Abschnitten sehen werden, sind Atome aus Elektronen,
Protonen und Neutronen aufgebaut. Die Protonen und Neutronen bilden den
Atomkern, der im Zentrum einer Elektronenwolke sitzt, die die Kernladung
kompensiert. Ein Atom besteht aus gleich vielen Protonen und Elektronen. Im
Periodensystem werden die Atome nun nach steigender Kernladungszahl (auch
Ordnungszahl genannt) aufgeführt. Sie ist oberhalb jedes Atoms aufgeführt und
entspricht der Anzahl der Protonen und somit auch der Anzahl der Elektronen im
Atom. Unterhalb jedes Atoms ist die relative Atommasse
angegeben.
In diesem Zusammenhang führen wir noch den Begriff der Massenzahl
ein. Sie ist die der relativen Atommasse
nächstgelegene ganze Zahl
und entspricht der Summe der Anzahl Protonen und Neutronen, d.h. es
gilt
wobei für die Anzahl der Neutronen steht.
Zum Abschluss dieses kurzen Überblicks ein paar Bemerkungen zum Begriff der
Isotopie: Zwei Atome, welche gleiche Kernladungszahl , aber unterschiedliche
Massenzahl
haben werden als Isotope bezeichnet. Der Unterschied in der
Massenzahl
kommt durch die unterschiedliche Anzahl Neutronen
im Kern
der Atome zustande. Dieses Phänomen wurde mittels der Massenspektroskopie
entdeckt, die wir im nächsten Abschnitt besprechen werden.
Die Massenspektroskopie dient zur Trennung von Atomsorten, welche unterschiedliche
Ladungs-Massenverhältnisse aufweisen und wie im vorangehenden
Abschnitt erwähnt, stand sie damit auch am Ursprung der Entdeckung der
Isotopie.
Die Parabelmethode ist eine der ersten Methoden der Massenspektroskopie.
Sie wurde 1913 von Joseph John Thomson entwickelt. Bei der verwendeten
Versuchsanordnung (siehe Abb. 7.4) wird ein Ionenstrahl bzw. ein Strahl geladener
Teilchen mit unterschiedlichen Ladungs-Massenverhältnissen durch ein
elektrisches Feld
eines Kondensators und einem dazu parallelen Magnetfeld
räumlich getrennt. Auf dem Beobachtungsschirm ordnen sich die Teilchen mit
gleichem Ladungs-Massenverhältnis
, aber unterschiedlicher Geschwindigkeit
entlang einer Parabel an, daher auch der Name Parabelmethode. So entsteht
schlussendlich auf dem Beobachtungsschirm eine Schar unterschiedlicher Parabeln,
die jeweils einem bestimmten Ladungs-Massenverhältnis
zuzuordnen sind.
Wir geben nun eine kurze Herleitung dieses Sachverhalts, wobei wir in einem ersten
Schritt den Einfluss von elektrischem Feld und Magnetfeld
getrennt
betrachten:
Daraus folgt für die y-Koordinate
wobei wir im zweiten Schritt die Verweilzeit des Teilchens im Kondensator
durch seine Geschwindigkeit
und die Kondensatorlänge
ausgedrückt
haben. Dabei haben wir angenommen, dass das Magnetfeld klein und der
Bahnradius des Teilchens gross ist.
wobei dem Bahnradius entspricht und allgemein als Zyklotronradius
bezeichnet wird. Daraus ergibt sich für die Zentripetalbeschleunigung
Das geladene Teilchen befindet sich nur eine relativ kurze Zeit unter dem
Einfluss des Magnetfeld und daher können wir annehmen, dass die Bewegung
entlang der x-Richtung eine gleichmässig beschleunigte Bewegung mit der
Beschleunigung ist. In der Zeit
kommt es damit zu folgender Ablenkung
in x-Richtung
Wiederum ersetzen wir die Verweilzeit durch den Quotienten
. Wir
erhalten mit (7.26)
Auflösen von (7.28) nach und einsetzen in (7.24) ergibt
Diese Gleichung ist die Gleichung einer Parabel. Die Form hängt dabei von den
bekannten Grössen ,
und
, sowie dem Ladungs-Massenverhältnis
ab.
Somit ist die zu Beginn getätigte Aussage bestätigt: Auf dem Beobachtungsschirm
entsteht eine Schar unterschiedlicher Parabeln, die jeweils einem bestimmten
Ladungs-Massenverhältnis
zuzuordnen sind. Damit ist wie bereits erwähnt eine
räumliche Trennung von Isotopen - oder ganz allgemein die Trennung von geladenen
Teilchen mit unterschiedlichen Ladungs-Massenverhältnissen
- möglich.
Zusätzlich kann bei bekannter Ladung
aus der Form einer Parabel die
Teilchenmasse
bestimmt werden.
In den Jahren nach der Erfindung der Parabelmethode durch Joseph John Thomson wurden diverse Verbesserungen angebracht, die zu hochauflösenden Massenspektrometern führten:
wobei die kleinste noch unterscheidbare Massendifferenz ist.
Neben der bereits erwähnten Verwendung in der Atomphysik zur Analyse und Trennung von Zusammensetzungen verschiedener Isotope findet die Massenspektroskopie in diversen Gebieten der Chemie und Physik ihre Anwendung:
Es sei hier noch die Bemerkung angefügt, dass zur Trennung von Zusammensetzungen verschiedener Isotope neben der Massenspektroskopie diverse andere Methoden zur Verfügung stehen und eingesetzt werden. Eine Übersicht gibt zum Beispiel das Buch Atom- und Quantenphysik von Hermann Haken und Hans Wolf [9].
Ein erster Schritt in Richtung dem Atommodell, das wir heute kennen, lieferten
Erkenntnisse aus Streuexperimenten mit Elektronen an Materie (Atomen) sowie die
durch Rutherford durchgeführten Streuexperimenten mit -Teilchen an
Goldfolien.
Erste Untersuchungen von Atomen durch Elektronen-Streuung gehen etwa auf das Jahr 1890 zurück. Sie wurden vom deutschen Physiker Philipp Lenard durchgeführt (siehe Abb. 7.5): (1) Mittels Thermoemission werden Elektronen erzeugt, die dann (2) beschleunigt werden und (3) mit Atomen wechselwirken. Die Elektronen, die durchgehen, werden (4) in einem Elektronen-Detektor aufgefangen und gezählt.
Bei der Wechselwirkung der Elektronen mit den Atomen können verschiedene Streuprozesse auftreten:
Führt man das beschriebene Experiment durch, so beobachtet man, dass bei
ausreichend hohen Beschleunigungsspannungen Elektronen einige cm Gas (bei
Normaldruck 1 bar) bzw. einige
m dicke Metallplatten (
Atomlagen)
durchdringen können. Die Wechselwirkung zwischen Elektronen und Atomen ist
folglich viel kleiner als die Wechselwirkung zwischen Atomen. Insbesondere zeigt
dieses Resultat, dass Atome für Elektronen durchdringbar sind. Wäre dem nicht so,
so würde eine Streuung der Elektronen innerhalb der mittleren gaskinetischen freien
Weglänge (
m) stattfinden.
Wir kommen nun zur quantitativen Messung des Wirkungsquerschnitts . Der
Aufbau eines möglichen Experiments entspricht im Wesentlichen dem in Abb. 7.5.
Dabei wird die einfallende und die durchgelassene Elektronen-Intensi-tät
bzw.
, sowie die Dichte
der Streuatome bestimmt. Diese Messungen erfolgen
für verschiedene Beschleunigungsspannungen
. Der Wirkungsquerschnitt
ergibt
sich aus der Formel (7.19)
wobei der Länge der Wechselwirkungszone zwischen Elektronen und Atomen und
dem makroskopischer Streukoeffizient entsprechen. Unter der Annahme von
gleichen Streuatomen gilt
Die Summe bezeichnen wir mit
.
entspricht dem sogenannten
Stossradius. Das Resultat einer Messung des Stossradius
in Abhängigkeit der
Elektronengeschwindigkeit
(siehe Abb. 7.6) zeigt, dass nur ein kleiner Bruchteil
eines Atoms für Elektronen (insbesondere schnelle Elektronen) undurchlässig ist.
Nach Lenard ist das Innere eines Atoms so leer wie das Weltall. Daraus wurde
geschlossen, dass Masse und Ladung ungleichmässig (körnig) im Atom verteilt sind.
Die Vorstellung eines Atomkerns, der die gesamte positive Ladung und beinahe die gesamte Masse des Atoms enthält, entstand durch die Versuche von Rutherford mit denen wir uns im nächsten Abschnitt beschäftigen.
Rutherford untersuchte in seinen Versuchen nicht die Streuung von Elektronen, sondern
die Streuung von -Teilchen an einer Folie.
-Teilchen sind doppelt ionisierte
Helium-Kerne
mit einer hohen kinetischen Energie
MeV. Sie
entstehen bei einem radioaktiven Zerfall. Für
-Teilchen ist es möglich viele
Atomschichten zu passieren bis sie alle ihre kinetische Energie an die Atome
abgegeben haben. Z.B. kommen
-Teilchen in Luft unter Normalbedingungen erst
nach einer Strecke von 3.5 cm zum Stillstand.
Beim Rutherford-Streuexperiment (siehe Abb. 7.7) werden -Teilchen durch den
Zerfall eines radioaktiven Materials erzeugt. Der Strahl wird durch einen Kollimator
gebündelt und trifft auf eine Metallfolie. Als Detektor dient ein Szintillationsschirm,
welcher durch die
-Teilchen angeregt wird und Licht ausstrahlt, welches
beobachtet werden kann.
In diesem Experiment interessiert uns nicht wie bisher die ungestört durchgelassen
Intensität der -Teilchen, sondern die Intensität der gestreuten
-Teilchen in
Abhängigkeit des Streuwinkels
. Die Messung liefert folgendes Ergebnis:
Rutherford deutete diese Resultate wie folgt (siehe Abb. 7.8): Rutherfordsches Atommodell (1911)
Wir kommen nun zurück zum ursprünglichen Streuexperiment und leiten eine Formel
für die Streuintensität in Abhängigkeit des Streuwinkels her. Wir betrachten die
Streuung von
-Teilchen an einem Atomkern der Ladung
(siehe Abb. 7.9).
Es gelten die folgenden Annahmen:
wobei der Abstand zwischen
-Teilchen und Kern bezeichnet.
Die Vorgehensweise ist nun die folgende:
Wir kommen zur Herleitung nach der oben aufgeführten Vorgehensweise:
Entlang der Hyperbel sind Kraft und Abstandsvektor
immer parallel
zueinander. Demzufolge verschwindet das Drehmoment
und der
Bahndrehimpuls
ist entlang der Hyperbel erhalten. Insbesondere
können wir den Bahndrehimpuls in Punkt A mit demjenigen in Punkt B
gleichsetzen
Wir stellen nun die Bewegungsgleichung für die Bewegung senkrecht zur ursprünglichen Flugrichtung auf
Integration über die Zeit von Punkt A nach C und ersetzen von mit Hilfe
von (7.38) liefert
Wir substituieren auf der linken Seite und auf der rechten Seite
und erhalten
Zur Auswertung des Integrals betrachten wir die Grenzen etwas genauer. Wir
nehmen an, dass der Punkt A soweit vom Kern entfernt ist (im Unendlichen),
dass keine Coulomb-Kraft wirkt und daher ist. Ausserdem gilt:
. Auch den Punkt C schieben wir ins Unendliche, sodass gilt
. Die Geschwindigkeit entspricht aufgrund der Energieerhaltung
derjenigen Geschwindigkeit im Punkt A. Folglich gilt
.
Einsetzen der Grenzen in (7.41) liefert
Somit erhalten wir
Mit erhalten wir schlussendlich für den
Stossparameter
in Abhängigkeit des Streuwinkels
den folgenden
Ausdruck
Aus (7.44) folgt folgender Zusammenhang
Wir sehen, dass mit wachsendem Stossparameter der Streuwinkel
kleiner
wird. D.h.
-Teilchen mit einem Stossparameter
im Intervall [
,
] werden in das Winkelintervall [
,
] gestreut. Dabei
gilt
Da unser Problem rotationssymmetrisch ist, entspricht einem Streuwinkelintervall
[,
] ein ganzer Kreisring. Entsprechend stammen die zugehörigen
Stossparameter auch aus einem Kreisring der Radien
und
,
siehe Abb. 7.10. Diese Stossparameter stammen aus einer Fläche
, der
sogenannten aktiven Fläche für dieses Streuwinkelintervall [
,
]. Es
gilt
Bisher haben wir nur ein Streuatom der Folie betrachtet. Wir erweitern nun
das Modell indem wir uns die gesamte Folie (Dicke , Fläche
und Dichte
) anschauen. Für die aktive Fläche
aller Atome
gilt
Dabei haben wir angenommen, dass sich die aktiven Flächen der einzelnen Streuatome nicht überlappen. Diese Annahme ist bei dünnen Folien (bis 10000 Atomlagen) gerechtfertigt.
Die Wahrscheinlichkeit , dass ein
-Teilchen die aktiven Flächen
der
Folienatome trifft, beträgt
Mit anderen Worten: ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein einfallendes
-Teilchen ins Winkelintervall [
,
] gestreut wird. Nun erweitern
wir das Modell von einem auf
einfallende
-Teilchen. Dann ist die Anzahl
-Teilchen
, welche in das Winkelintervall [
,
] gestreut
werden, gegeben durch
Ein Detektor misst schlussendlich nicht die Anzahl einfallender -Teilchen
auf einem ganzen Kreisring, sondern die Anzahl einfallender
-Teil-chen
innerhalb eines kleinen Segments. Wir betrachten
das Ganze auf der Einheitskugel: Sei
die Fläche des Kreisrings
und
die Fläche des Segments (auch Raumwinkel genannt), dann
gilt
Die Fläche des Kreisrings beträgt
Einsetzen von (7.50) und (7.52) in (7.51) ergibt
Mit (7.44), (7.45) und (7.46) erhalten wir für das Verhältnis , d.h. für
die Anzahl in ein Raumwinkelelement
um den Streuwinkel
gestreuter
-Teilchen
durch die Anzahl der einfallenden
-Teilchen
, das
folgende Schlussresultat:
Rutherfordsche Streuformel
wobei der Massenzahl entspricht.